Klassiker der Ökonomie 05 - Das nationale System der politischen Ökonomie by Friedrich List

Klassiker der Ökonomie 05 - Das nationale System der politischen Ökonomie by Friedrich List

Autor:Friedrich List [List, Friedrich]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2016-03-17T16:00:00+00:00


Sechzehntes Kapitel. Volks- und Staatswirtschaft, politische und Nationalökonomie

Das, was auf die Erhebung, Verwendung und Administration der materiellen Regierungsmittel eines Gemeinwesens Bezug hat, die finanzielle Ökonomie des Staats, muss notwendig überall von denjenigen Institutionen, Regulativen, Gesetzen und Verhältnissen unterschieden werden, durch welche die Ökonomie der Staatsbürger bedingt und geordnet wird, d.h. von der Ökonomie des Volks. Die Notwendigkeit dieser Unterscheidung tritt bei allen Staatsgesellschaften ein, ob sie eine ganze Nation oder nur Fraktionen einer Nation umfassen, ob sie klein oder groß seien.

Im Bundesstaat zerfällt hinwiederum die Staatsfinanzökonomie in die Finanzökonomie der besonderen Staaten und in die Finanzökonomie der Union.

Die Volksökonomie erhebt sich zur Nationalökonomie, wo der Staat oder der Bundesstaat eine ganze durch Volkszahl, Territorialbesitz, politische Institutionen, Zivilisation, Reichtum und Macht zur Selbständigkeit berufene, zur Fortdauer und politischen Geltung befähigte Nation umfasst. Die Volksökonomie und die Nationalökonomie sind hier ein und dasselbe. Sie bilden mit der Staatsfinanzökonomie die politische Ökonomie der Nation.

In Staaten dagegen, deren Bevölkerung und Territorium nur aus der Fraktion einer Nation oder eines Nationalterritoriums besteht, die weder durch den unmittelbaren Staatsverband noch durch das Mittel des Föderativverbandes mit anderen Fraktionen ein Ganzes bildet, kann überall nur von einer Volksökonomie im bloßen Gegensatz zu der Privat- oder Staatsfinanzökonomie die Rede sein. In diesem unvollkommenen Verhältnis können die Zwecke und Bedürfnisse einer großen Nationalität nicht in Betracht kommen, kann insbesondere die Volksökonomie nicht mit Rücksicht auf die Bildung einer in sich selbstvollkommenen Nation und auf ihre Selbständigkeit, Fortdauer und Macht geregelt werden. Hier muss demnach die Politik von der Ökonomie ausgeschlossen bleiben; hier kann man nur auf die Naturgesetze der Gesellschaftsökonomie überhaupt Rücksicht nehmen, wie sie sich bilden und gestalten würden, wenn nirgends eine große vereinigte Nationalität oder eine Nationalökonomie bestünde.

Von diesem Standpunkt aus ist in Deutschland diejenige Wissenschaft, welche man früher Staatswirtschaft, dann Nationalökonomie, dann politische Ökonomie, dann Volkswirtschaft genannt hat, ausgebildet worden, ohne dass man dort den Grundirrtum dieser Systeme wahrgenommen hätte.

Begriff und Wesen der Nationalökonomie konnten nicht erkannt werden, weil es keine ökonomisch vereinigte Nation gab und weil man dem besonderen und bestimmten Begriff Nation überall den allgemeinen und vagen Begriff Gesellschaft substituiert hatte – einen Begriff, der auf die ganze Menschheit oder auf ein kleines Land oder auf eine einzelne Stadt so gut anwendbar ist als auf die Nation.



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