Kalt, stumm und friedlich #2 by Niklaus Schmid

Kalt, stumm und friedlich #2 by Niklaus Schmid

Autor:Niklaus Schmid
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Krimi, Thriller, Anthologie, Kurzgeschichte, Raub, Diebstahl, Unterschlagung, Crimestory
ISBN: 9783958650794
Herausgeber: 110th
veröffentlicht: 2014-09-15T00:00:00+00:00


***

Der Augenzeuge

„Tauben!“, schnauzte der Kommissar. „Sie waren dabei, als einem Mann das Gesicht weggeschossen wurde, und erzählen mir hier was von Taubenzucht.“

„Ja, aber ...“

„Was aber?“

Dass die Polizei einen nie ausreden lässt, ärgerte sich Augenzeuge Jürgen Kallmeyer, sagte dann aber nur: „Das hängt doch alles damit zusammen, mit der Taubenzucht ...“

*

Vor allem hing es damit zusammen, dass Laflöhr an dem Tag nach dem Wettflug verspätet zum Vereinstreffen kam, uns eine tote Taube unter die Nase hielt und fragte, ob wir wüssten, was das sei. Blöde Frage, und ganz besonders blöd, sie in einem Verein zu stellen, der sich mit nichts anderem als Brieftauben beschäftigt, allerdings lebendigen.

Horst Bodach, unser Kassenwart, legte seinen Bleistift zur Seite, runzelte die Stirn und sagte: „Hmm, für’n Känguru ist’s zu klein. Was meint ihr, Leute.“

„Zu klein“, ging ich auf Bodachs Spiel ein. „Außerdem hat es Federn. Ein Vogel, ich tippe, es ist ein Vogel.“

„Sieht ein bisschen müde aus“, gab Schwadden seinen Senf noch dazu.

„So, das reicht!“, blaffte Laflöhr. „Jetzt will ich euch mal was sagen: Das ist, genauer gesagt, das war mein bester Vogel. Und der ist nicht an Altersschwäche gestorben, oh nein, der ist gestern abgeschossen worden, und zwar ganz nahe vorm Ziel; der hätte das Rennen gewonnen. Das ist“, er holte tief Luft, „das ist Taubenmord!“

Wenn man ein Tier verliert, auf das man große Hoffnungen gesetzt hat, ist das schon traurig. Deshalb versuchte ich, als Vereinsvorsitzender, Laflöhr zu beruhigen. Ich sagte, er solle sich doch erst einmal setzen, und dann könnten wir die Sache bereden.

Doch er wollte sich nicht setzen; nicht an einen Tisch, an dem, wie er es ausdrückte, ein Taubenmörder saß. Ziemlich hartes Wort. Aber noch härter war, dass er unseren Kassenwart dabei anguckte. Auf einmal wurde es ganz still bei uns im Klubraum.

Bodach betrachtete die Finger seiner großen Hände und fragte Laflöhr in aller Ruhe, ob er jemand Bestimmten meine. Wem der Stiefel passe, der könne ihn sich ja anziehen, war Laflöhrs sehr betonte Antwort.

Nicht, dass wir im Verein was gegen Leute haben, die betont sprechen – prononciert, würde Laflöhr sagen. Nein, wir sind ja tolerant, ein total friedlicher Haufen. Bodach ließ sich auch gar nicht provozieren, krempelte nur seine Ärmel auf, bis zu der Stelle, wo die Tätowierung mit der Taube und dem Eichenblatt zu sehen war, von der Laflöhr mal gesagt hat, es müsste eigentlich ein Olivenzweig sein. Aber erstens war es Bodachs Bier, was er sich tätowieren ließ. Zweitens gab es bei uns keine Olivenbäume.

Immer alles besser wissen, typisch Laflöhr! Oder René Lafleur, wie’s auf seiner Visitenkarte steht. Er stammt ja nicht von hier. Nicht, dass wir was gegen Leute von außerhalb haben. Überhaupt nicht! Wir sind offen für alle, auch für die Hinzugezogenen. Und von denen kamen damals, nachdem wir gegen den Abriss der Zechensiedlung erfolgreich protestiert hatten, eine Menge. In einige der modernisierten Häuser sind dann Künstler, Lehrer und Werbeleute eingezogen, weil viele der Alteingesessenen die erhöhten Mieten nicht zahlen konnten.

Das war die Zeit, als Laflöhr, der sich am Siedlungsrand ein Haus baute, unseren Verein „Treu zur Heimat“ besuchte und einen Vortrag hielt: „Taubenzucht, die Identität einer Region“.



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