Kalt, stumm und friedlich #1 by Niklaus Schmid

Kalt, stumm und friedlich #1 by Niklaus Schmid

Autor:Niklaus Schmid
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Krimi, Thriller, Anthologie, Kurzgeschichte, Raub, Diebstahl, Unterschlagung, Crimestory
ISBN: 9783958650770
Herausgeber: 110th
veröffentlicht: 2014-09-15T00:00:00+00:00


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aus: Tödliche Touren, Leporello Verlag

Bunter Abend

Mein Freund Knut meint, wir mit unserem Verein verkörperten den Urkommunismus. Oder das Urchristentum, was gewissermaßen das gleiche sei. Er meint das, weil wir nämlich das Geld abgeschafft haben. Nicht in der Welt, da regiert es ja weiter, aber eben in unserem Verein.

Die Idee hatte Christof, obwohl das Tauschen, wie Sie wissen, eine alte Handelsform ist. Bodo, Waltraud, Dora, Guido und Frank schlossen sich an. Günter war das siebte Gründungsmitglied. Korrekt wäre es, ihn Dr. Günter Hohmann zu nennen. Aber wir duzen uns alle. Keine Titel, keine Dünkel, bei uns zählt nur das Talent. Und irgendetwas kann jeder gut.

Christof kennt sich bestens bei den Behörden aus. Der kann Briefe schreiben, da nehmen die Sachbearbeiter beim Lesen schon Haltung an. Bodo hat ein Dieselauto, viel Freizeit und fährt gern; für Taxidienste ist er jederzeit zu haben. Seine Frau Anke hütet gern Kinder. Guido ist ein geschickter Bastler, Waltraud kocht und backt mit Leidenschaft; ihr achtschichtiger Blätterteig ist ein Gedicht. Franzosen würden bei ihr die Croissants kaufen, das heißt, wenn sie könnten. Geht aber nicht, weil wir ja nur tauschen. So schneidet Dora beispielsweise Frank die Haare und kriegt dafür aus dessen Garten biologisch angebautes Gemüse.

Unsere Währung heißt Talent. Werden die Gegenleistungen nicht auf der Stelle erbracht, kommen die Talentpunkte auf ein Konto. Komplizierte Satzungen gibt es in unserem Verein nicht. Wichtigste Regel ist, dass die Mitglieder ihr Konto nicht aufstocken, sondern möglichst schnell ausgleichen. Wie unsere Bilanz aussieht, erfahren wir von Christof. Er ist Computerfachmann, führt Buch über unsere Tauschgeschäfte und gibt monatlich eine Liste heraus. Bei den meisten Mitgliedern halten sich die Hilfeleistungen die Waage. Nur Guidos und mein Konto weichen von der Norm ab. Seins ist stark im Plus, meins tief im Minus.

Bei mir hat sich das so zusammengeläppert. Dabei bin ich noch gar nicht lange im Verein. Ich kam als letzter und wurde, anders kann ich es nicht nennen, mit offenen Armen aufgenommen. Sicher nicht zuletzt durch Dr. Hohmanns, also Günters, Fürsprache. Er sagte, als er mich vorstellte:

„Freunde, das ist Viktor, dem Manne kann geholfen werden.“

Pathetisch oder nicht, es stimmte. Ich hatte keine Wohnung, keine ordentlich Kleidung, Arbeit hatte ich auch nicht. Für mich war der Verein ein absoluter Glücksfall. Günter besorgte mir ein Zimmer, Bodo stellte Bett und Stuhl hinein. Von Frank, der so meine Figur hat, bekam ich zwei Anzüge. Waltrauds Kochkünste habe ich schon erwähnt. Christof schrieb etliche äußerst geschliffene Bewerbungsbriefe für mich – leider ohne Erfolg –, und Guido renovierte meine Bude. Tipptopp! Gekostet hat mich das alles nicht einen Cent.

Wann immer ich diesen Punkt im Verein ansprach, sagten die anderen nur: „Mach dir keine Sorgen, Viktor, irgendwann wirst du dich revanchieren, und zwar mit einer Arbeit, die dir Spaß macht.“

So ähnlich sprach Günter auch vor Kurzem zu mir, als wir zusammen zum Vereinstreffen gingen. Die Stimmung schien mir an jenem Abend nicht so unbeschwert zu sein wie sonst. Ich denke, das hatte mit dem ersten Punkt der Tagesordnung zu tun. Es ging darum, dass sich alle Mitglieder gegenüber Guido im Minus befanden und keine Möglichkeit sahen, das Konto auszugleichen.



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