Jeder stirbt für sich allein by Hans Fallada

Jeder stirbt für sich allein by Hans Fallada

Autor:Hans Fallada [Fallada, Hans]
Die sprache: deu
Format: epub


Escherich und Kluge gehen spazieren

Es war schon ganz dunkel, als Kommissar Escherich mit Enno Kluge das Gartenhaus in der Ansbacher Straße verließ. Nein, trotz der Lunge hatte sich der Kommissar nicht entschließen können, den Fall von Fräulein Anna Schönlein als unbeträchtlich anzusehen. Diese alte Jungfer schien ja ganz wahllos jeden Verbrecher bei sich aufzunehmen, ohne auch nur seine Geschichte zu kennen. Den Enno Kluge zum Beispiel hatte sie nicht einmal nach seinem Namen gefragt, sie hatte ihn versteckt, bloß weil eine Freundin ihn angeschleppt hatte.

Auch diese Frau Häberle würde man sich näher ansehen. Es war ein Jammer mit diesem Volk! Jetzt, wo der größte Krieg für seine glückliche Zukunft geführt wurde, selbst jetzt noch war es widerspenstig. Überall, wo man hinroch, stank es. Kommissar Escherich war fest davon überzeugt, daß er in beinah jedem deutschen Haus solch einen Wust von Heimlichkeiten und Lüge finden würde.

Fast keiner, der ein reines Gewissen hatte - von den Parteigenossen natürlich abgesehen. Übrigens würde er sich schön hüten, bei Parteigenossen solche Untersuchung wie eben die bei der Schönlein durchzuführen.

Nun, er hatte jedenfalls den Portier als Wache in die Wohnung gesetzt. Der schien ein ganz verläßlicher Bursche zu sein, übrigens auch Parteimitglied; man mußte mal sehen, daß er irgendeinen kleinen gutbezahlten Posten bekam. Das machte solche Leute munter und schärfte ihnen Blick und Gehör. Belohnen und Bestrafen, das war die beste Art zu regieren.

Der Kommissar mit seinem Enno Kluge am Arm geht auf die Säule zu, hinter der Borkhausen steckt. Borkhausen will seinen ehemaligen Kumpel jetzt gar nicht so gern sehen; er geht, seinem Anblick zu entgehen, rund um die Säule. Aber der Kommissar, der kehrtgemacht hat, erwischt ihn doch, und Emil und Enno stehen einander gegenüber.

«'n Abend, Enno!» sagt Borkhausen und streckt die Hand aus.

Aber Kluge nimmt sie nicht. Ein bißchen Empörung regt sich jetzt selbst in diesem jämmerlichen Geschöpf. Er haßt diesen Borkhausen, der ihn zu einem Einbruch überredete, wo es nur Schläge gab, der heute früh Tausende erpreßte und der ihn nun doch verraten hat.

«Herr Kommissar», sagt Kluge eifrig, «hat Ihnen der Borkhausen nicht gesagt, daß er heute früh von meiner Freundin, der Frau Häberle, zweitausendfünfhundert Mark erpreßt hat? Er wollte mich dafür laufenlassen, und nun hat er ...»

Der Kommissar hat den Borkhausen nur aufgesucht, um ihm sein Geld zu geben und ihn nach Haus zu schicken.

Aber jetzt läßt er das Geldpäckchen in seiner Tasche wieder los und hört erheitert, wie Borkhausen grob antwortet: «Und habe ich dich nicht laufenlassen, Enno? Wenn du Ochse dich gleich wieder fangen läßt, dafür kann ich nichts. Ich habe mein Versprechen gehalten.»

Der Kommissar sagt: «Na, darüber unterhalten wir uns noch mal, Borkhausen. Jetzt machen Sie, daß Sie nach Haus kommen.»

«Aber vorher will ich mein Geld, Herr Kommissar», verlangt Borkhausen. «Sie haben mir fest fünfhundert Ei-er versprochen, wenn ich Ihnen Enno liefere. Da haben Sie ihn am Arm, und nun spucken Sie auch aus!»

«Zweimal werden Sie in der gleichen Sache nicht bezahlt, Borkhausen!» weist der Kommissar ihn ab. «Wenn Sie schon zweitausendfünfhundert bekommen haben!»

«Aber ich habe das Geld doch noch gar nicht!» protestiert der schon wieder enttäuschte Borkhausen fast schreiend.



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