Jäger des Einhorns by Hans Kneifel

Jäger des Einhorns by Hans Kneifel

Autor:Hans Kneifel [Hans Kneifel]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Fantasy
Herausgeber: Pabel Moewig
veröffentlicht: 2011-09-30T22:00:00+00:00


4.

Fassungslos starrte Kapitän Ergyse den calcopischen Krieger an. Im flackernden Licht der Fackel funkelte und glänzte der kleine Schild, den der Mann jetzt senkte.

Voller tiefer Erbitterung sagte Ergyse:

»Nachdem eure Folter und der Hunger sechs meiner Männer umgebracht haben – was soll dieser Wandel?«

Die Kettenglieder des helmartigen Kopfschutzes klirrten, als der Wächter den Kopf schüttelte und rauh antwortete:

»Ich führe Befehle aus. Frage mich nicht nach dem Grund der Entscheidung. Tu, was ich sage – ihr habt es wirklich nötig!«

Ergyse hob die Schultern und erwiderte:

»Also gut. Ich gehe mit.«

Der Krieger winkte mit der Fackel. Die Gefangenen schleppten sich einen langen, feuchten Gang entlang. In einzelnen Nischen flackerten Öllämpchen. Ihre Flammen hatten riesige, dreieckige Rußflächen an Wände und Decken gelegt. Am Ende des Korridors stand eine schwere Bohlentür offen. Dahinter waren Licht, Geräusche und ein fremder Geruch.

»Dorthin!« sagte ein anderer Wächter und deutete mit der Spitze des Hohlschwerts nach links.

Ergyse, der einen hinkenden Krieger mit sich schleppte, drehte sich halb herum. In dem großen, von Dampf erfüllten Raum befand sich ein Badebecken, in das mehrere Stufen führten. Es war mit heißem Wasser gefüllt; fremdartige Kräuter waren zu riechen. Einige halbnackte Sklaven hantierten mit Tüchern und Schwämmen.

»Reinigt euch nach Herzenslust«, rief der Krieger. »Dort steht Wein. Betrinkt euch nicht – Essen ist auch bereit für euch.«

Überrascht rissen die Männer ihre Lumpen von den Körpern und ließen sich wohlig stöhnend ins Wasser gleiten. Die Sklaven wuschen ihnen das Haar und die Bärte. Der Schorf der vielen Wunden löste sich. Die Kräuter im Badewasser schienen die Schmerzen zu betäuben, und die Dämpfe, die man einatmete, lösten die Starrheit der Glieder und erfüllten die Männer mit neuer Hoffnung.

Die Sklaven schnitten den Männern das Haupthaar, kämmten den Schmutz heraus und rieben die wuchernden Bärte mit einer schäumenden Paste ein. Als sie funkelnde Bronzemesser zückten, machten die Gorganer schwache Abwehrbewegungen. Ergyse, an dessen Kehle ebenfalls ein solches Messer saß, schob den Arm des Sklaven zur Seite und grollte:

»Sie bringen uns nicht um, Freunde. Sie stutzen nur die Bärte! Laßt sie weitermachen.«

Er lehnte sich wieder zurück, schloß halb die Augen und ließ die seltsame, befremdliche Szene auf sich einwirken. Rings um das eingelassene Becken standen Dutzende Schalen, mit Öl gefüllt, in denen die brennenden Dochtklumpen schwammen. In dem süßlich riechenden Dampf bildeten die Flammen geheimnisvolle Lichtinseln. Die Decke des steinernen Gelasses war mit weißer Farbe gestrichen.

Das Licht wurde von der Decke zurückgeworfen. Langsam nahmen seine Männer wieder vertraute Gestalt und ein neues, altvertrautes Aussehen an. Die Badesklaven arbeiteten schnell und umsichtig, der Krug und die Tonbecher machten die Runde. Der Schiffsjunge tauchte prustend unter und lächelte einfältig, als er wieder auftauchte – die Duftstoffe der Kräuter hatten ihn verwirrt. Ergyse merkte, wie sich in seinem Gedärm wohlige Wärme ausbreitete; man hatte den Wein mit Gewürzen und Honig versetzt.

Der erste Mann verließ das Becken, wurde abgetrocknet und auf eine steinerne Bank gelegt. Dort behandelten andere Sklaven seine Wunden und legten Binden an. Es roch plötzlich nach Salben und Tinkturen.

Ergyse genoß den Wein, die Wärme des Wassers und die Ruhe. Alles war vorübergehend und – rätselhaft.



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