Ist das jetzt Satire oder was? by Heiko Werning und Volker Surmann

Ist das jetzt Satire oder was? by Heiko Werning und Volker Surmann

Autor:Heiko Werning und Volker Surmann [Surmann, Heiko Werning und Volker]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Blue Cat
veröffentlicht: 2015-10-15T00:00:00+00:00


TAMTAM BEI DER TAZ. DER NEGERKÖNIG UND DIE FOLGEN

Michael Ringel

Im September 2005 feierte König Mswati III. von Swasiland seine jährliche »Busenparty«, wie ich es in einer 33-zeiligen Glosse auf der Wahrheit-Seite der taz nannte. Aus diesem Anlass ließ »der Welt letzter Negerkönig« viertausend Jungfrauen barbusig vor sich antanzen, damit er sich unter ihnen eine neue Herzensdame aussuchen konnte: Gattin Nummer dreizehn.

Bereits im Februar 2005 hatte ich den lebenslustigen Herrscher aus dem südlichen Afrika gewürdigt, als er seine Ehefrauen mit zehn nagelneuen Fünfer-BMW beglückte. Die »Schlitten für die Schnitten« hatten umgerechnet rund 635.000 Euro gekostet, wie die örtliche Sonntagszeitung Times Sunday berichtete. Erst zwei Monate zuvor war bekannt geworden, dass der letzte absolute Monarch Afrikas sich einen 390.000 Euro teuren Daimler der Marke Maybach mit Fernsehgerät, DVD-Player, Dolby-Surround-System, Kühlschrank, Golftaschen, silbernen Champagnerkelchen und jeder Menge weiterem Schnickschnack angeschafft hatte.

Meine Bewunderung wuchs ins Unermessliche, auch wenn ich recherchiert hatte, dass das zwischen Südafrika und Mosambik gelegene Reich Mswatis III. zu den ärmsten Ländern der Welt gehörte, mit etwa 114 Millionen Euro verschuldet war und zwei Drittel seiner 1,2 Millionen Einwohner von weniger als einem Dollar am Tag lebten. Aber der Mann wusste eben zu leben, und deshalb dichtete ich Seiner Majestät Mswati III. zu Ehren einen lobpreisenden Vers, den ich künftig als Schlusszeile jedes Textes über den großen Negerkönig verwenden würde: »Hier wird gefeiert und gelacht, bis dass der Kral zusammenkracht.«

Und so gingen die Jahre ins Land: Mswati III. feierte einmal im Jahr seine Busenparade und erwählte Gattin um Gattin, während ich ihn rühmte ob seiner großen Taten – bis zum 19. April 2011. Da erschien wieder einmal das übliche Verherrlichungsstück über seine Hoheit. Diesmal waren es 28 Zeilen unter dem Titel »Letzter Negerkönig feiert Thronjubiläum«.

Denn diesmal hatte sich der findige Mswati einen ganz besonderen Anlass für die Busensause gesucht: sein 25. Thronjubiläum an seinem 43. Geburtstag. Und aus diesem hohen Anlass verkündete ich: »Die ganze Welt liebt den König von Swasiland.«

Und wer spätestens an der Stelle nicht gemerkt hat, dass es sich nicht etwa um das leichte Florett, sondern eher um den dicken Hammer der Ironie handelte, der hier beinhart eingesetzt wurde, um einen feudalen Herrscher vorzuführen, dem ist kaum zu helfen. Allerdings gibt es immer wieder Rezipienten, die nicht lesen können. Wie zum Beispiel die Mitglieder des Migrationsrats Berlin-Brandenburg, der die Glosse in einem offenen Brief als »rassistisch« beanstandete: »Solche rassistischen und sexistischen Schmierereien überraschen nicht in nationalistischen, rechtsextremen Hetzblättern, im linken Spektrum der deutschen Presselandschaft sind sie jedoch ein Skandal«, meinte man unter Migrationsräten. Um sich dann als Humorkritiker zu betätigen: »Zwar darf die Satire laut Kurt Tucholsky bekanntlich ›Alles!‹, sie verliert dieses Anrecht jedoch, wenn sie anstatt kritisch herrschende Machtverhältnisse zu hinterfragen, diese vielmehr stabilisiert, indem sie rassistische und sexistische Stereotype reproduziert.«

Die Kritiker veranstalteten ein Riesentamtam, gaben Interviews und forderten von der Chefredaktion der taz »eine schriftliche Entschuldigung zur nächsten Ausgabe und die Entfernung der besagten Glosse von ihrer Webseite«. So klug war die Chefredaktion immerhin, sich nicht von irgendwelchen Interessengruppen erpressen zu lassen. Dann wäre redaktionelle Arbeit künftig kaum mehr möglich.



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