Inside Polizei: Die unbekannte Seite des Polizeialltags by Stefan Schubert

Inside Polizei: Die unbekannte Seite des Polizeialltags by Stefan Schubert

Autor:Stefan Schubert [Schubert, Stefan]
Die sprache: de
Format: mobi, epub
Herausgeber: FinanzBuch Verlag GmbH
veröffentlicht: 2012-02-09T23:00:00+00:00


5. CASTOR-TRANSPORT –

IST CLAUDIA ROTH FARBENBLIND?

»Gegen die Regierung

mit allen Mitteln zu kämpfen

ist ja ein Grundrecht und Sport

eines jeden Deutschen.«

Otto von Bismarck

Marius war zum sechsten Mal im Wendland dabei. Seine individuelle Eröffnung des Großeinsatzes begann mit einem persönlichen Ritual. Ein Blick auf etwas Unwirkliches, eine Szenerie, die noch kein Zivilistenauge zu sehen bekommen hatte. Beim ersten Anblick im Jahr 2003, in der Abenddämmerung, hatte es irreal und gespenstisch gewirkt, beinahe so, als ob diese Kulisse einem Science-Fiction-Film entsprungen wäre. Doch der zweite Blick belehrte dann eines Besseren, da blieb von einem stylischen, coolen Ambiente nichts, aber auch gar nichts übrig, vielmehr weckte das Ganze Assoziationen mit einer Zigeunersiedlung in der rumänischen Provinz. Das Innenministerium hatte 2003 Tausende Container gekauft und in drei Lüneburger Bundeswehrkasernen dauerhaft aufgestellt. So waren riesige Containerdörfer entstanden, die schon regelrechten Kleinstädten glichen. So weit das Auge blicken konnte, Container über Container. Diese wurden in Blöcken installiert und mit A1, A2, A3 usw. durchnummeriert. Es gab Aufenthaltscontainer, Besprechungscontainer, Schlafcontainer, Dusch- und Toilettencontainer.

Eine Kleinstadt mit eigenen Wegen und Straßen war entstanden. Allein in dieser Bundeswehrkaserne und Containersiedlung wurden 3000 Polizeibeamte untergebracht, und dies war nur eines von drei Containernestern in Lüneburg. Doch in dieser künstlich geschaffenen Kolonie herrschte nur an vier, fünf Tagen im Jahr, wenn überhaupt ein Castor-Transport stattfand, Betriebsamkeit. Den Rest des Jahres verfiel das Dorf in einen Dornröschenschlaf und verwaiste.

Der zwölfte Castor-Transport warf seinen Schatten schon lange vor dem November 2010 voraus. Die Grünen veröffentlichten eine Demo-Fibel, und auch die Protestinitiative »X-tausendmal quer« verteilte ihre neue Blockadebroschüre. Dort wurden praktische Tipps erteilt, unter anderem eine »Anleitung zum Sitzenbleiben«. Doch es blieb nicht nur bei reiner Theorie, die Initiative trainierte potenzielle Demonstranten und Blockierer auch im richtigen Demonstrieren und vor allem im wirkungsvollen Blockieren. Die Protestierer machten keinen Hehl aus ihren Absichten: Sie wollten den Atommülltransport verhindern oder zumindest so lange wie möglich aufhalten und gleichzeitig die Sicherheitskosten des Einsatzes in astronomische Höhen treiben. Die erst kurz vorher von der Bundesregierung beschlossene Laufzeitverlängerung deutscher Atomkraftwerke und die daraus resultierenden zusätzlichen Milliardengewinne der vier großen Energiekonzerne dienten nicht gerade einer Beruhigung der Lage.

Die Autonomen aus dem linksradikalen Spektrum gingen wie so oft einen Schritt weiter, unverhohlen riefen sie auf einschlägigen Internetseiten zum Schottern auf. Dies bedeutet das Aushöhlen von Bahngleisen, um ein Passieren des Castor-Transports zu verhindern, wobei jedoch das Risiko eines Entgleisens des Zuges in Kauf genommen wird. Juristisch stellt allein diese Aufforderung eine Straftat dar, weil Schottern ein strafrechtlich relevanter Eingriff in den Bahnverkehr bedeutet. Trotz der angedrohten juristischen Konsequenzen verbreiteten diese Internetseiten aber ihre Appelle weiter.

Doch nicht nur Atomkraftgegner tummelten sich in diesen Foren, auch Verfassungsschutz und Bundeskriminalamt registrierten diese Appelle. Die Behörden überwachten die einschlägigen Internetforen und Newsletter und erstellten daraus und mit zusätzlichen Erkenntnissen ihrer V-Männer in der Szene Strategie- und Lagebeurteilungen über das Mobilisierungs- und Gewaltpotenzial der diesjährigen Anti-Atom-Bewegung.

Diese Lagemeldungen erreichten über das Landesinnenministerium auch Marius und seine Kollegen in der Einsatzhundertschaft. Die Meldungen häuften sich und trafen in immer kürzeren Abständen in den Dienststellen der eingeplanten Einheiten ein. Diese wurden über



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