Ingrid by Thijssen Felix

Ingrid by Thijssen Felix

Autor:Thijssen, Felix [Thijssen, Felix]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Grafit
veröffentlicht: 2010-09-09T22:00:00+00:00


10

»Ich kann nichts dafür, Harry!«, brachte Gürbüz flehentlich hervor.

Zwei der vier Leibwächter hielten ihn an Schultern und Armen fest, während mir ein dritter eine Pistole zwischen die Rippen bohrte. Der vierte sprach in ein Handy. Es war offensichtlich, dass Harry spontanen Besuch nicht leiden konnte.

Harry war leicht an seinem roten Haar zu erkennen, das ihm den Spitznamen »die Rübe« eingebracht hatte. Da es kerngesund aussah, konnte es noch zwanzig Jahre dauern, bis sich das Rot in ein weniger auffälliges Grau verwandelt haben würde. Auch der Rest von Harry wirkte gesund, allerdings war er sehr klein. Er hatte als Bodyguards Männer mittlerer Größe ausgewählt, wirkte aber im Vergleich zu den durchschnittlichen Niederländern, dem größten Volk der Welt, wie ein Zwerg. Er hatte eine große Habichtsnase, und seine Augen blickten wie die eines Jungen, der zu lange auf dem Schulhof gepiesackt worden ist und aus Rache beschlossen hat, Napoleon zu werden und die Welt zu erobern. Er trug einen Morgenmantel aus scharlachroter Seide und schaute verstört von Gürbüz zu den Leibwächtern. »Wer hat dem Mann die Nase blutig geschlagen?«

Keiner der Bodyguards machte den Mund auf. Der mit dem Handy ließ den Apparat rasch sinken. Alle machten betretene Gesichter. Vielleicht schoss Harry dann und wann einen von ihnen über den Haufen, um sie auf Kurs zu halten. Ich sagte: »Ich musste den guten Gürbüz ein wenig dazu ermuntern, mich hierher zu bringen.«

Die Napoleon-Augen versuchten, Löcher in meine zu brennen. Seine schmalen Lippen fielen mir auf. Harry hatte einen unangenehmen Mund. »Und warum wolltest du unbedingt zu mir?«

»Ich möchte ein paar Erkundigungen einziehen und dachte bei mir: Man wird ja wohl mal klingeln und einfach fragen dürfen, ohne gleich eine Pistole zwischen die Rippen zu kriegen.«

»Du kommst mir irgendwie bekannt vor«, sagte Harry. »Ich weiß nur nicht, woher. Bist du ein Bulle?«

»Nein.«

»Nein, nein«, redete Gürbüz dazwischen. »Ich würde doch nie …«

Harry hob die Hand, und Gürbüz hielt den Mund. Harry hatte den Vorteil, dass er acht Stufen über uns stand, auf dem Absatz einer breiten Treppe mit dicken roten Läufern und Kupfergeländer. Wir befanden uns in einem Luxusnachtclub. Weiche, mit Wollstoff bezogene Hocker standen vor der breiten Bar, auf der die Damen nackt zwischen den Gläsern hindurch stolzieren konnten, es gab gemütliche Séparées für Intimitäten bei überteuertem Champagner und kleine Podien für die Shows. Ich nahm an, dass die Nutten noch schliefen und das übrige Personal beim Mittagessen saß. Harry wohnte laut Gürbüz vorübergehend über dem Club. »Warum sollte ich mit dir reden?«

»Weil ich ansonsten immer wiederkommen werde«, sagte ich. »Der Schlag auf den Schädel und die Fahrt im Kofferraum gingen ja gerade noch, aber der leuchtende Schlafanzug war einfach zu viel des Guten.«

Harry runzelte die Stirn. »Was faselst du denn da?«

»Von deinem Gästehaus in Maarssenbroek.«

Das Stirnrunzeln blieb. »Du bist, äh …« Harry schnippte mit den Fingern, als suche er nach einem Fremdwort, und schaute den Leibwächter an, der seine Pistole gegen mich presste.

»Krank im Kopf«, fiel einer der Leibwächter ein.

»Max Winter«, sagte Gürbüz gleichzeitig.

»Privatdetektiv?«, fragte Harry.

»Diesmal habe ich Bescheid gesagt, wo ich bin«, sagte ich.



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