Im Winter schläft man auch bei Wölfen by Molesini Andrea

Im Winter schläft man auch bei Wölfen by Molesini Andrea

Autor:Molesini, Andrea [Molesini, Andrea]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783492967839
Herausgeber: Piper
veröffentlicht: 2015-03-17T16:00:00+00:00


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Es ist schön, im Stall zu schlafen, weil das Heu etwas vom Sturm hat. Da sind zwei sehr magere Kühe, und in den Fenstern waren noch die Sterne, als eine Frau mit schwarzem Kopftuch hereinkam, um sie zu melken, Dario und ich haben geholfen, an den Zitzen zu ziehen, und auch wenn die Kühe mager sind, ihre Milch war warm.

Dann hat die Frau uns ins Haus geführt und uns in einem Topf die abgekochte Milch gereicht, Schwester Elvira hat ihr im Tausch dafür das halbe Weißbrot von Signora Mariangela gegeben, und die Frau hat gesagt, so weißes Brot hat sie schon seit letztem Sommer nicht mehr gesehen. Alle betrachten Karl mit Respekt, was bedeutet, dass er ihnen Angst einjagt, auch wenn er nicht redet, kapieren alle, dass er Deutscher ist, vielleicht weil in seinen Augen ein Schrei liegt, der mich an Wölfe um einen verwundeten Hirschen erinnert.

Das Komische ist, dass hier keine Männer sind, die ganze Gegend ist leer, nur Bäume und Felder, zerstörte Häuser und Frauen mit traurigen und harten Gesichtern und Alte und Kinder, die davonlaufen, sobald sie uns sehen. Die jungen Männer sind weggegangen, haben sich in den Wäldern versteckt, wo sie darauf warten, dass die Amerikaner kommen.

Diesen Amerikanern, von denen alle reden, traue ich nicht so recht, sie sind wie eine Frau, die ihren Liebsten warten lässt, und der Ire hat gesagt, wenn eine dich warten lässt, dann ist sie nichts für dich! Und der hat sich ausgekannt mit Frauen, zweimal habe ich ihn mit Knallfröschen im Haar gesehen.

Nach dem Essen hat Karl mit mir geredet. Er hat mich bei der Hand genommen und mir gesagt, dass er einen Jungen hat, der Johann heißt, und einen zweiten, der Sebastian heißt. »Weißt du«, hat er gesagt, »meine Frau spielte Cembalo, sie liebte Bach.« Wer dieser Bach ist, weiß ich nicht, aber mir gefällt sein Name, der kracht wie eine zerplatzende Beere. Dann habe ich verstanden, dass Karls Frau vielleicht tot ist, weil er gesagt hat »Sie war« und weil seine Stimme gezittert hat, als er es sagte. Und er hat auch gesagt, dass ich Sebastian ähnlich sehe. Er hat meine Hand losgelassen. Dann hat er nichts mehr gesagt, und ich war lange still, weil ich glaube, er schämt sich, dass er mit mir gesprochen hat. Und ich sage das jetzt niemandem, nicht mal Dario, das mit Sebastian und Johann, nur dem Wolf kann ich es sagen, auf den kann ich mich verlassen. Na ja, ich verstehe ja nicht so viel von Wölfen, aber meinen Wolf kenne ich.

Die Frau hat uns die Milch gegeben und uns zu einem alten Mann geführt, der zwei Häuser weiter wohnt, wo die Felder an den Wald grenzen. »Er bringt euch, wohin ihr wollt, wenn ihr zahlen könnt.«

Karl hat auf seine prall gefüllte Tasche gedeutet und genickt. Da ist sie vorausgegangen.

Der Alte ist sehr hässlich. Er ist groß und mager wie eine Pappel und hat kein einziges Haar auf dem Kopf, der hin und her schaukelt, als wäre da ein Bienenstock drin, aber ohne Honig.



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