Im Land der Apfelblüten by Harmony Verna

Im Land der Apfelblüten by Harmony Verna

Autor:Harmony Verna
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Aufbau digital
veröffentlicht: 2019-05-14T16:00:00+00:00


28. Kapitel

Der Wechsel der Jahreszeiten brachte einen eigenen Geruch mit sich. Nahezu über Nacht wich der Sommer dem Herbst mit dem ersten Frost. Die welkenden Blätter wurden braun, bis sie von den Ästen fielen und eine dichte Laubdecke bildeten, die unter den Stiefeln raschelte. An sonnigen Tagen strahlte der Himmel in einem stählernen Blau, und es war zwar noch lange hell, aber nicht mehr warm. An bedeckten Tagen rieb die Luft wie Stahlwolle an Kinn und Wangen.

Die ganze Nacht über peitschte der Regen gegen das alte Farmhaus und zeigte die Stellen, wo das Dach repariert werden musste. Töpfe und Eimer wurden in den Räumen aufgestellt, wo das Wasser sich einen Weg durch die Schindeln bahnte. Das endlose Tropfen dauerte bis zum Morgen an, selbst wenn der Regen aufgehört hatte.

Wilhelm schickte Will und Edgar in den Hühnerstall, um die Futtertröge zu säubern und die Eier einzusammeln. Im Frühjahr würden sie die neuen Küken aufziehen, dafür sollten die Schlafplätze der Tiere schon frühzeitig vorbereitet werden. Die Jungen beklagten sich nicht, sondern waren froh, den Tag im warmen Stall zu verbringen, bis Fritz zum Spielen herüberkam.

In der Scheune drückte Andrew Nägel zum Aufhängen von Ketten und Geschirr in die Bretter und hämmerte sie dann tief ins Holz. Draußen mühte sich Wilhelm mit der Kurbel des Wagens ab. »Der Ford springt nicht an!«, brüllte er vorwurfsvoll in die Scheune.

Andrew legte den Hammer nieder und spähte von der Seite unter die Motorhaube. »Was ist das Problem?«

»Woher zum Teufel soll ich das wissen?«, rief Wilhelm verbittert. »Sehe ich aus wie ein verdammter Mechaniker?«

Andrew überging seinen Ton. »Ich könnte Frank bitten, mal einen Blick darauf zu werfen.«

Sein Onkel grunzte. »Ich krieg’s schon selbst raus.« Dann knallte er die Motorhaube zu. »Hilf mir, den Pferdewagen zu reparieren.«

Der alte Wagen stammte noch von Mr. Anderson, und sämtliche Speichen, Bolzen und Schrauben waren verrostet. Andrew schmirgelte den Rost ab und tröpfelte Öl auf alle beweglichen Teile. Sie versuchten, das Pferd anzuschirren. Wilhelm hielt die Achse hoch, während Andrew das Pferd rückwärts führte und das Kumt anlegte. Als sie zufrieden waren, schnallten sie das Pferd wieder ab und wollten es wieder in den Stall führen. Doch dabei hob sich die Achse, der Wagen kippte, stieß Wilhelm zu Boden, und eine Ecke bohrte sich in seinen Oberschenkel. Er schrie vor Schmerz auf. Andrew mühte sich ab, seine Schulter unter den Wagen zu schieben und ihn anzuheben, damit sein Onkel das Bein herausziehen konnte. Seine Hose war zerrissen, und eine klaffende Wunde ließ seinen Oberschenkel anschwellen.

Wilhelm entfernte sich humpelnd, trat dann wütend gegen den Wagen und zeigte auf Andrew. »Ich hab dir doch gesagt, du sollst das Auto nicht draußen lassen! Jetzt steht der gottverdammte Motor unter Wasser.«

»Ich hab es auch nicht draußen gelassen«, erwiderte Andrew ruhig.

»Hast du doch, zur Hölle! Ich hab dir gesagt, es gibt Regen. Hier hab ich gestanden und gesagt, du sollst den verdammten Wagen reinfahren.«

Andrew wartete einen Moment reglos in der kalten Scheune. Dann sah er seinen Onkel an, der weiße Atemwolken ausstieß, und sagte mit klarer Stimme: »Ich habe den Wagen reingefahren.



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