Im falschen Film - Der Anfang by Vanessa Mansini

Im falschen Film - Der Anfang by Vanessa Mansini

Autor:Vanessa Mansini [Mansini, Vanessa]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Contemporary
veröffentlicht: 2014-02-18T23:00:00+00:00


VIERTES KAPITEL – LIEBE

1

Wenn man direkt vor dem Ritz-Carlton steht und nach oben schaut, fühlt man sich ein wenig wie in New York. Ich war noch niemals in New York. Zumindest sagte man mir das. Dennoch war in meinem Bewusstsein dieser Blick nach oben, bei dem man den Kopf so weit nach hinten legen muss, dass man beinahe umfällt, ganz deutlich mit New York verbunden. Für New Yorker Verhältnisse ist das Berliner Ritz-Carlton eher niedrig, aber in Berlin sind selbst neunzehn Stockwerke eine Rarität.

Ich mochte die Fassade des Hotels, die an die Zwanzigerjahre erinnerte, an die ersten amerikanischen Skyscraper im Art-déco-Stil. Ging man dann aber unter dem riesigen Vordach hindurch über den roten Teppich nach drinnen, fühlte man sich doch eher wie in einer pompösen Variante des alten Berlins. Eine prunkvolle Treppe, Kronleuchter, Marmorsäulen, ausladende Teppiche. Überall funkelte und glänzte es. Um mich herum weltläufige Betriebsamkeit. Eine arabische Familie mit einer Armada an Louis-Vuitton-Koffern reiste ab, während eine Gruppe asiatischer Geschäftsleute eincheckte. Da die Hälfte der Asiaten telefonierte, in einer fremden Sprache plappernd auf und ab ging, mussten die Damen am Empfang all ihre professionelle Höflichkeit aufbringen, um die Gruppe zu bändigen.

Das Komische war: Auch wenn ich mir sicher war, dass luxuriöse Hotels in meinem bisherigen Leben keine große Rolle gespielt hatten, fühlte ich mich nicht unwohl oder übermäßig beeindruckt. Da es keine Anzeichen dafür gab, dass ich als Teenager, Student oder gar in meinem Leben mit Christian regelmäßig an solchen Orten verkehrt hatte, ahnte ich, dass einmal mehr die Filmwelt schuld war. Wer in der „Downton Abbey“, mit „Sex and the City“ oder gar mit dem „Gossip girl“ lebte, kannte sich aus in der Welt des Prunks und Luxus’. Natürlich war auch die alte Trixi in diesem Hotel gewesen. Um Tom zu treffen. Von mindestens zehn Verabredungen hatte er gesprochen. Aber konkrete Erinnerungen daran hatte ich nicht. Da konnte ich noch so sehr in meinem Gedächtnis kramen, die Hotellobby war mir vollkommen unbekannt. Wie hatte die alte Trixi diese Welt empfunden? Wie hatte sie über Toms Einladung gedacht – ausgerechnet in eins der teuersten Hotels der Stadt?

„Ich bin morgen um vierzehn Uhr im Ritz am Potsdamer Platz. Zimmer 911.“

Mehr hatte ich seit der SMS nicht von Tom gehört. Es war bereits halb drei. Ich war nicht absichtlich zu spät gekommen, aber meine Verspätung drückte aus, wie es mir mit dieser Verabredung ging: Ich war hin- und hergerissen. Er hatte nicht geschrieben, warum er mich treffen wollte. Aber natürlich war seine SMS eine exakte Kopie der ersten SMS, die er mir in meinem alten Leben gesendet hatte. Eine SMS, nach der wir uns hier in diesem Hotel wild geliebt hatten, ohne überhaupt den Namen des anderen zu kennen. Es wäre überaus naiv gewesen anzunehmen, dass er mir heute nur die schöne Aussicht aus dem Hotelzimmer zeigen wollte. „Betten rocken im Ritz“ schwirrte mir die ganze Zeit im Kopf herum. Wieder einmal bot Peter Fox die passenden Worte.

„Kann ich Ihnen helfen?“, fragte mich eine junge Angestellte, nachdem ich mit meinen Gedanken viel zu lange an derselben Stelle verharrt war.



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