Im Auge der Sonne by Wood Barbara

Im Auge der Sonne by Wood Barbara

Autor:Wood, Barbara [Wood, Barbara]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783104027166
Herausgeber: Fischer E-Books
veröffentlicht: 2013-10-16T22:00:00+00:00


9

»Das Mittel gegen die Fallsucht wird als Kuchen verabreicht«, sagte Tante Rakel, über den ausgefransten Saum eines von Elias’ Gewändern gebeugt. »Man zerkrümelt die reifen Knospen von Molochs Traum zusammen mit blättrigen Mandeln, Datteln und getrockneten Feigen in einer Schale. Dann fügt man Butter und Honig dazu, rührt alles gut durch und backt dann die Masse im Ofen. Sobald der Kuchen erkaltet ist, schneidet man ihn in Würfel. Wenn diese Würfel regelmäßig morgens und abends eingenommen werden, hören die Anfälle auf.«

»Aber wie viel von Molochs Traum fügt man der Mischung bei, Tante Rakel?«, fragte Leah. »Du hast gesagt, zu wenig bewirke nichts und zu viel sei gefährlich.«

Rakel hielt sich die Näharbeit dicht vor die milchigen Augen, überprüfte ihre Stiche. »Ich werde dir ein Geheimrezept verraten, Rebekka, auf das wir ohne das Wissen unserer Männer in Jericho zurückgriffen: Wenn du der ständigen Schwangerschaften überdrüssig bist, dein Ehemann aber auf weiteren Kindern besteht, nimmst du ein Stückchen Schwamm, tauchst es in Essig und führst es dir ganz tief ein. Das verhindert die Empfängnis, und weil der Schwamm so weich ist, wird der Ehemann nichts merken.« Sie schnitt den Nähfaden ab und fügte hinzu: »Den gleichen Erfolg erzielt man, wenn man eine halbe Zitrone, aus der man das Fruchtfleisch geschabt hat, wie eine Kappe an die Gebärmutter drückt.«

Sie saßen im Sonnenzimmer, beschäftigten sich an diesem warmen Vormittag im Sommer einmal mehr mit ihren Handarbeiten: Leah und Tante Rakel, Esther, Hannah und die hochschwangere Saloma. Es herrschte eine bedrückte Stimmung, war doch ein Selbstmord das Schlimmste, was passieren konnte. Da ein solch schreckliches Ereignis die bösen Geister anzog, hatte Avigail gegen viel Geld einen Priester gerufen, der mit reinigendem Weihrauch und besonderen Gesängen das Unheil vertreiben sollte.

Was sie tröstete, war, dass im Hause des Elias endlich ein Sohn das Licht der Welt erblickt hatte. Avigail hatte für Tamars Baby, das momentan zwischen Wollekörben in einer Wiege schlief, eine Amme eingestellt; sobald Saloma niedergekommen war, würde sie neben ihrem eigenen Kind auch diesen Kleinen hier stillen. Gegenwärtig aber war der Winzling Baruch der absolute Mittelpunkt. Die Frauen wechselten sich darin ab, ihn zu halten, mit ihm auf und ab zu gehen. Sie waren entzückt, wenn er lächelte und leise quäkte. Er war für sie Verheißung, ihre kleine Flamme der Hoffnung. Was immer sich gegen sie stellen mochte – die Frauen von Elias brauchten nur Baruch anzuschauen, um zu wissen, dass die Götter weiterhin mit ihnen waren.

Die Stillste von ihnen war Hannah. Der Verlust ihrer mittleren Tochter hatte sie schwer getroffen, und sie ahnte, dass sie wohl nie darüber hinwegkommen würde. Auch Esther, die die bunten Tonperlen auffädelte, die sie bei einem Hausierer gegen eine Flasche Wein eingetauscht hatte, beschäftigte sich in Gedanken mit der toten Schwester. Saloma hingegen, die Tamar nur kurz kennengelernt hatte, konnte, während sie das Wunder vollbrachte, minderwertige Wolle zu makellosem Garn zu spinnen, den Göttern für ihr Glück nicht genug danken. Durch Hannah vor einem Leben in Sklaverei und harter Arbeit bewahrt, stand sie kurz davor, mit einem Kind niederzukommen, in dessen Vater sie sich heimlich verliebt hatte.



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