Ich bin nicht da by Lize Spit

Ich bin nicht da by Lize Spit

Autor:Lize Spit [Spit, Lize]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Roman
ISBN: 9783104915272
Herausgeber: Fischer e-books


Mitten im Kofferpacken setzte ich mich an Simons Laptop. Ich kannte das Passwort zum Entsperren, es rührte mich, dass es noch immer dasselbe war: SLLEOS2007 (Simon loves Leo since 2007). Sein Browser war geöffnet, Unmengen von Tabs, so viele, dass die Icons nicht mehr in die Leiste passten. Wenn man alle diese Karten aufklappen und nebeneinanderlegen würde, käme man über die Stadtgrenze hinaus.

Ich klickte das Kreuz an – Alle Registerkarten schließen? – nein, doch besser nicht, überlegte ich. Mit zitternden Händen klickte ich mich von Tab zu Tab. Unterseiten von seiner eigenen Website, Pornos, YouTube, die Nachrichtenseite von Think Out Loud, Ergebnisse von allen Dingen, die er gegoogelt hatte, die seltsamsten Suchanfragen zu Spionagetechniken tauchten auf. Irgendwie überraschte mich das nicht, wenn ich an die vielen Nächte und Stunden dachte, die er an seinem Computer gesessen und mit dreifacher Geschwindigkeit getippt hatte.

Facebook war auch auf Dutzenden von Seiten geöffnet, alles Gespräche, die Simon in den letzten Tagen und Stunden angefangen hatte, mit Fremden, mit ehemaligen Klassenkameraden, die er kaum mehr kannte, Gespräche, in denen er seine Vermutungen bezüglich Praktiken von Lokalpolitikern geteilt hatte, die Frage, ob einer von ihnen je von TOL angesprochen worden sei, um ihn, Simon, im Auge zu behalten. Er hatte einen Gruppenchat eröffnet, in dem er enthüllte, wie er dies alles hatte kommen sehen, in dem er seine Scrabble-Prognosen teilte. Fast niemand hatte reagiert, die meisten hatten seine Frage nicht einmal gelesen, sie hatten die Gruppe wieder verlassen oder mit einem Fragezeichen geantwortet. Einige hatten aggressiv reagiert (»He, was hast du denn geschluckt??«), einige schrieben: »Kenne ich dich?« Ein paar Leute hatten ihn inzwischen als Freund gelöscht. Unter ein Foto der siegreichen Hallenfußballmannschaft der Tollers hatte Simon »Habt ihr die Fotos, auf denen Paul drauf ist, gelöscht?« getippt, doch niemand hatte Anstoß daran genommen, es hatte sogar ein Like von Maxim bekommen.

Von verschiedenen Leuten hatte Simon die Namen auf einem Blatt notiert, das neben seinem Computer lag, verteilt auf zwei Spalten, überschrieben mit »Coen« und »Paul«. In einem anderen Heft, das aufgeschlagen neben dem Computer lag, hatte er eine ganze Reihe von Nummernschildern notiert. Phantombildartige Skizzen von den Straßenarbeitern, ich erkannte auch ein Bild von der Nachbarin. Daneben lag ein Foto von Coen. Irgendwo hatte er hingekritzelt »1. Oktober, 12.15 Uhr, Lotte Ultraschall« – ich hatte keine Ahnung, woher er diese konkrete Information hatte, vielleicht hatte er im Krankenhaus angerufen und sich als Coen ausgegeben.

Ich klickte weiter Registerkarten weg, bis ich mich mürbe fühlte, bis sich das Gefühl der Übelkeit gelegt hatte.

Ich antwortete Open VLD Brussel, die Simon inzwischen schon zum zweiten Mal gefragt hatten, ob er ihre erste Mail erhalten habe – es sei nicht möglich, auf ihre Bitte einzugehen, aber trotzdem viel Erfolg beim anstehenden Wahlkampf.

Erst zögerte ich, schließlich tat ich es doch: Mit ein paar Klicks löschte ich die gesamte Simon-Sproud-Facebook-Seite.

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