I see you Baby … by Kevin Brooks & Catherine Forde

Autor:Kevin Brooks & Catherine Forde [Brooks, Kevin]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783423428828
Herausgeber: Deutscher Taschenbuch Verlag
veröffentlicht: 2015-07-29T16:00:00+00:00

Sally Mack

Kiefer Shelley kommt wieder zu Bewusstsein

Ich mach keinen Witz – der Lärm weckte tatsächlich Tote auf. Kiefer Shelley schoss hoch, als hätte er einen Elektroschock bekommen. Er warf mich auf den Rücken. Auf einmal wurde ich plattgedrückt.

»Die Dead Holes!«, schrie mir Kiefer ins Gesicht. Sein Atem stank ein bisschen nach schalem Bier, aber er war nicht mehr tot. Ehrlich gesagt, er war sehr lebendig. Als er merkte, dass ich unter ihm lag, rappelte er sich so schnell auf, dass er glatt den Weltrekord im Fliehen vor einem hässlichen Vogel geschafft haben muss. Es sah ein bisschen aus, als ob ihm schlecht würde. Sein Atem ging viel zu schnell.

Ich rief: »Nein, du bist nicht in einem Totenloch. Du lebst. Auf dem Rock Out. Du bist KIEFER SHELLEY und ich hab dich umgeworfen. Nicht bewegen.« Es war schwer, gegen den Lärm der schrecklichsten Band, die ich je gehört hatte, anzuschreien. Doch Kiefer Shelley sprang in die Luft.

»Dead Holes, Dead Holes – Anthem for Hate«, skandierte er.

Danach lief er weiter, raus aus dem Tunnel. In Richtung Lärm. Er war noch ziemlich wackelig auf den Beinen. Seine Augen waren ganz glasig. Und er brüllte dieselben Worte wie der Kerl, der sich auf der vordersten Bühne die Lunge aus dem Hals schrie. Diesen ganzen Scheiß von wegen zustechen und sterben vor Schmerz.

Mann, Sally Mack, sagte ich mir. Hast du ein Glück, dass du nicht da warst, als die Idioten im Fernsehen gesungen haben. Nicht dass der Typ vorn am Bühnenrand sang. Er schrie bloß in schrecklichem Cockney-Englisch in sein Mikro, als ob ihm irgendwas fürchterlich stinken würde. Klang wie Prinz William als Punksänger. Er war auch angezogen wie Prinz William, in modischem Rugby-Shirt und gebügelter Khakihose.

Armer Kiefer Shelley. Ich machte mir echt Sorgen. Was, wenn er durch mich ein Schädel-Hirn-Trauma bekommen hatte? Was meinte er nur die ganze Zeit – dieses ganze Gebrabbel von wegen Dead Holes? Und dann einfach wegzulaufen? In diesem Zustand durfte er doch unmöglich so dicht ran an den scheußlichen Lärm. Er sollte besser irgendwo sein, wo es ruhig war. Jemand sollte sich um ihn kümmern.

»Hey, Kiefer! Jemand muss sich um dich kümmern«, rief ich.

Ich nahm seine Tasche und meinen Rucksack und folgte seiner weißen Lederjacke. Dieser Teil der Aktion war einfach. Die Jacke war so weiß und leuchtend, dass man sie unmöglich übersehen konnte. Schwierig war nur, mir einen Weg durch die Tausende von Ska-Jungs zu bahnen. Sie sangen alle in wütendstem Cockney mit der schlechtesten Band der Welt mit. Hinzu kam, dass ich einen gebrochenen Stiefelabsatz und zwei Stücke Gepäck hatte.

Schließlich fand ich Kiefer. Er war in sehr schlechter Verfassung, direkt vor der Menge, gegen die Bühne gequetscht. Er lag auf den Knien. Die Augen geschlossen. Er rollte den Kopf hin und her. Und – oje – er spielte Luftgitarre.

Kein Wunder, dass alle ringsum auf Kiefer starrten. Auf ihn zeigten. Lachten. Zwei Jungen versuchten sogar, ihn auf die Bühne zu drängen.

Ich machte nicht lange rum.

»Komm schon«, rief ich. »Lass uns zusehen, dass du hier wegkommst, Kiefer.« Ich stieß die Ska-Knaben mit der Reisetasche und meinem Rucksack aus dem Weg.

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