Hotel Savoy by Roth Josef

Hotel Savoy by Roth Josef

Autor:Roth, Josef [Roth, Josef]
Die sprache: eng
Format: epub
veröffentlicht: 2013-11-06T00:00:00+00:00


Kapitel 15

Wir wohnen zusammen, in meinem Zimmer, Zwonimir schläft auf dem Sofa.

Ich biete ihm nicht mein Bett an, ich bin bequem und habe lange Zeit ein Bett entbehrt. In meinem Elternhaus in der Leopoldstadt gab es manchmal wenig Essen, aber immer ein weiches Bett. Zwonimir aber hat sein Leben lang auf harten Bänken genächtigt, »auf echtem Eichenholz«, scherzt er, er verträgt keine Bettwärme und hat schlechte Träume auf weichen Lagern.

Er hat eine gesunde Konstitution, geht spät schlafen und erwacht mit dem Morgenwind. Bauernblut rollt in seinem Körper, er besitzt keine Uhr und weiß immer die Stunde genau, fühlt Regen und Sonne voraus, riecht entfernte Brände und hat Ahnungen und Träume.

Einmal träumt er, sein Vater wäre begraben worden; er steht auf und weint, und ich weiß mir keinen Rat mit dem großen, weinenden Mann. Ein anderesmal sieht er seine Kuh verenden, er erzählt mir davon und scheint gleichgültig. Wir gehen den ganzen Tag umher, Zwonimir erkundigt sich bei den Arbeitern Neuners nach den Verhältnissen, nach den Streikführern, er gibt den Kindern Geld und schreit mit den Frauen und befiehlt ihnen, ihre Männer aus dem Wartesaal zu holen. Ich bewundere Zwonimirs Fähigkeiten. Er beherrscht die Sprache des Landes nicht, spricht mit Mienen und Armen mehr als mit dem Mund, aber alle verstehen ihn vortrefflich, denn er redet einfach wie das Volk und flucht in seiner Muttersprache. Aber einen kräftigen Fluch versteht hier jeder.

Am Abend gehen wir in die Felder hinaus, da setzt sich Zwonimir auf einen Stein, schlägt die Hände vors Gesicht und schluchzt wie ein Knabe.

»Warum weinst du, Zwonimir?«

»Wegen der Kuh«, sagt Zwonimir.

»Aber das weißt du ja schon den ganzen Tag. Warum weinst du jetzt?«

»Weil ich bei Tag keine Zeit habe.«

Das sagt Zwonimir ganz ernst, er weint noch eine gute Viertelstunde, dann steht er auf. Er lacht plötzlich auf, weil er entdeckt, daß ein Prellstein wie eine kleine Vogelscheuche angezogen ist.

»Die Kerle sind zu faul, stellen ihre Vogelscheuchen nicht ordentlich in die Mitte. Prellsteine sind ja keine Vogelscheuchen!! Möchte den Sperling sehn, der vor einem verkleideten Prellstein Angst hat!«

»Zwonimir«, bitte ich, »fahren wir fort! Geh heim, dein Vater lebt noch, aber er wird vielleicht sterben, wenn du nicht kommst und dann wirst du keine bösen Träume mehr haben. Und ich will auch fort.«

»Ein bißchen bleiben wir noch«, sagt Zwonimir, und ich weiß, daß er fest bleibt.

Er freut sich über das Hotel Savoy. Zum erstenmal lebt Zwonimir in einem großen Hotel. Er wundert sich gar nicht über Ignatz, den alten Liftknaben. Ich erzähle Zwonimir, daß in anderen Hotels kleine, milchwangige Buben die Fahrstühle bedienen. Zwonimir meint, es wäre schon vernünftiger, wenn eine solche Amerikasache einem ältern, erfahrenen Herrn überlassen wird. Übrigens sind ihm beide unheimlich, der Fahrstuhl und Ignatz. Er geht lieber zu Fuß.

Ich mache Zwonimir auf die Uhren aufmerksam und daß sie verschiedene Stunden zeigen.

Zwonimir sagt, das wäre unangenehm. Abwechslung muß aber sein. Ich zeige ihm den siebenten Stock und den Dunst der Waschküche und erzähle ihm von Santschin und dem Esel am Grab. Diese Geschichte gefällt ihm am besten, Santschin tut ihm gar nicht leid, über den Esel lacht er, des Nachts, während er sich auskleidet.



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