Heftiges Umarmen im Eingangsbereich der Pension verboten by Sánchez Mamen

Heftiges Umarmen im Eingangsbereich der Pension verboten by Sánchez Mamen

Autor:Sánchez, Mamen [Sánchez, Mamen]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783851793383
Herausgeber: Atlantik Verlag
veröffentlicht: 2017-03-02T12:42:38+00:00


16

An Türen zu lauschen ist verboten

Wieder war es Cecilias Mutter, die Alarm schlug. Victoria Villanueva de Campos hatte ihr beim Kartenspiel unauffällig zugeflüstert, dass Noelias Eltern sich Sorgen machten, weil sie so lange nichts von ihrer Tochter gehört hatten. Angeblich hatte das Mädchen seit mehr als einem Monat nicht mehr zu Hause angerufen und auch nicht auf die Anrufe der Eltern reagiert. Das Einzige, was sie von ihr wussten, waren die wenigen Informationen, die sie über Cecilias Mutter erhielten. Natürlich war es gut, wenn Noelia selbstständig wurde, aber deswegen musste sie ihre Familie ja nicht gleich komplett vergessen. Am meisten beunruhigte sie, dass sie vielleicht in schlechte Gesellschaft geraten sein könnte, daher wollten sie gern wissen, ob Noelia sich mit interessanten jungen Leuten angefreundet hatte oder ob sie sich eventuell mit unerwünschten Freigeistern, Reaktionären und Querulanten umgab.

Cecilia versuchte ihre Mutter zu beruhigen, indem sie ihr erklärte, dass Noelia nicht im Entferntesten eines jener problematischen Mädchen sei, die sich in derartige Schwierigkeiten brachten, sondern eine brave Studentin, ein wenig schüchtern und nicht sehr gesellig, ein bisschen zerbrechlich mit der Neigung zur Mutlosigkeit, allerdings sehr nett und liebevoll.

»Isst sie denn vernünftig?«, wollte Cecilias Mutter wissen.

Das war eine vertrackte Frage. Denn das, was man im Allgemeinen unter vernünftigem Essen verstand, zählte nicht zu Noelias täglichen Gewohnheiten. Seit Justice verschwunden war, hatte sie jeglichen Appetit verloren und erschien kaum noch bei Tisch.

Azucena, die sich inzwischen ernsthaft Sorgen machte, kochte ihr reichhaltige Hühnersuppen mit Gemüse, in die sie unauffällig auch ein wenig Eigelb mischte. Davon aß Noelia zwei Löffel und klagte dann über Magenschmerzen.

»Sie isst nicht wirklich viel, du weißt ja, wie dünn sie ist. Aber sie sieht nicht schlecht aus«, log Cecilia. »Kein Grund zur Beunruhigung.«

Der Anruf ihrer Mutter veranlasste Cecilia, sofort zu handeln. Schließlich fühlte sie sich für das Wohlergehen ihrer Pensionsgäste verantwortlich. Es war höchste Zeit, etwas zu tun, weshalb sie allen Mut zusammennahm und an Noelias Zimmertür klopfte, um ihr einen Vortrag über die negativen Auswirkungen von Liebeskummer auf die körperliche Gesundheit zu halten – einschließlich persönlicher Beispiele – sowie über die Notwendigkeit, einen Schlussstrich zu ziehen und von vorn anzufangen, die Sache ad acta zu legen und alles auf Anfang zu stellen – oder wie immer man die Tatsache, den Schmerz herunterzuschlucken, gute Miene zum bösen Spiel zu machen oder die Zähne zusammenzubeißen, auch nennen mochte. Zum Glück gab es für solche Situationen ja all diese abgedroschenen Redewendungen! Sie hatte die Aufzählung der guten Ratschläge, was man alles tun konnte, um den Kummer zu überwinden, bereits vorbereitet, die ihr selbst zwar alle nichts gebracht hatten, aber offensichtlich unerlässlich waren, als sie durch die Tür plötzlich eine neue Art des Weinens hörte. Dies war nicht mehr der übliche gleichmäßige Dauerregen, sondern ein heftiger Wolkenbruch.

»Ist alles in Ordnung, Noelia?«, fragte Cecilia vorsichtig.

»Geh weg!«, kam es donnergrollend von drinnen.

Cecilia stieß die Tür auf und fand Noelia in Tränen aufgelöst im zerwühlten Bett vor. Für einen Moment hatte Cecilia befürchtet, das Mädchen hätte eine Überdosis Tabletten genommen, sich an einem Dachbalken erhängt, sich in



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