Hartz IV und wir by Anne Waak

Hartz IV und wir by Anne Waak

Autor:Anne Waak [Waak, Anne]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Verlag Marienbad
veröffentlicht: 2014-05-20T16:00:00+00:00


Rahel Savoldelli

August 2010: Rahel Savoldelli war mir als Schauspielerin und Tänzerin aus den Stücken der Regisseurin Constanza Macras bekannt. Als ein gemeinsamer Freund mir erzählte, dass sie von Hartz IV lebt, kontaktierte ich sie. Am Tisch ihrer Erdgeschosswohnung im Prenzlauer Berg sitzend, wirkt Savoldelli erschöpft, ist aber voller Ideen.

Nach meinem ersten Besuch im Jobcenter hatte ich das dringende Bedürfnis, eine Arbeit darüber zu machen. Ich fand es faszinierend dort: Wie fühlt es sich an, in dieser Schlange zu stehen? Die Gespräche mit anderen Wartenden? Die mit meiner Sachbearbeiterin? Anschließend habe ich einen Text geschrieben. Darüber, wie wahnsinnig der ganze bürokratische Aufwand ist und wie absurd das Vokabular: arbeitssuchend! Ich habe so viel Arbeit, es gibt einfach so viel Arbeit. Was es nicht gibt, sind Arbeitsplätze. Wir leben nach der industriellen Revolution und sind dankbar, dass Maschinen viele Arbeiten für uns übernehmen. Dahinter will doch niemand zurück.

Mir war früh klar, dass ich Theater machen wollte. Mein bester Freund, den ich kenne, seit ich 16 bin, studierte Psychologie in Berlin. Darum wollte ich auch nach Berlin und habe hier das Michael-Tschechow-Studienjahr gemacht, eine private Schauspielausbildung. Danach wollte ich auf die Ernst Busch, wurde aber nicht genommen und so kam ich auf die Fritz-Kirchhoff-Schule in Kreuzberg. Rückblickend sehe ich die ganze Schauspielausbildung sehr zwiespältig. Einerseits sollte es zur Grundausbildung eines jeden Menschen gehören, seinen Körper und seine Stimme zu schulen. Insofern war, was ich da gelernt habe, natürlich toll. Andererseits wird den Schauspielern an kaum einer Schule selbstständiges Denken und Arbeiten beigebracht, sondern – besonders an den staatlichen Einrichtungen – eine sehr elitäre Haltung.

Schon während meiner Ausbildung habe ich die Bekanntschaft der argentinischen, in Berlin lebenden Choreographin Constanza Macras gemacht und wurde Mitglied ihres Ensembles. Mit dem Stück Back to the Present waren wir überall: Paris, New York, Seattle, Japan, Korea, Indien, Brasilien, Südamerika. Es war toll, so zu arbeiten, extrem viel zu lernen und gleichzeitig viel von der Welt sehen zu dürfen. Aber irgendwann endete diese Phase, weil ich mit der Art, wie produziert wurde und meiner Rolle dabei, nicht mehr klarkam. Ich trenne die Sphären Produktionsweise und Produkt ungern voneinander, will sagen: Mein Ideal des Schauspielerberufs besteht nicht darin, das Medium jemandes anderen Idee zu sein. Ich bin in der Zusammenarbeit mit einem Regisseur an einem Verhältnis interessiert, das nicht durch meine Ehrfurcht ihm gegenüber und seinem guten Willen mir gegenüber geprägt ist. Ich habe also angefangen, mit Freunden oder anderen in meiner Umgebung, neue Wege zu suchen, unsere eigenen Ideen zu verwirklichen. Die Schauspielerin Anne Tismer hatte Back to the Present in der Schaubühne gesehen und war so begeistert, dass sie beim nächsten Stück, Big in Bombay, mitmachen wollte. Wir lernten uns kennen, kamen gut miteinander aus und arbeiteten wenig später zusammen. Auf Einladung des Regisseurs Dirk Cieslak haben wir als Gastduo eine Szene erarbeitet, in der wir einer Gruppe Brötchen schenkten. So kam es zum Namen der Gruppe, die Anne Tismer und ich daraufhin gründeten: Gutes Tun.

Mit Anne verband mich die Sehnsucht, auf andere Art und Weise zu arbeiten, als wir es bis dahin gewohnt waren.



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