Hans Heinz Ewers by Geschichten des Grauens

Hans Heinz Ewers by Geschichten des Grauens

Autor:Geschichten des Grauens
Die sprache: de
Format: mobi, epub
veröffentlicht: 2011-01-06T23:00:00+00:00


Der Spielkasten

An diesem Abend wartete ich lange genug auf Edgard Widerhold. Ich lag im Longchair, der Boy bewegte hinter mir langsam den Fächer. Der Alte hat indische Boys, die ihm gefolgt sind hierher vor mancher Zeit. Und deren Söhne und Enkel. Seine Boys sind gut erzogen; sie wissen, wie man uns bedienen soll.

„Geh, Dewla, sag deinem Herrn, daß ich warte.“

„Atja, Sahib.“ Lautlos glitt er weg. Ich lag auf der Terrasse, träumte hinaus auf den Hellen Strom. Seit einer Stunde waren die wochenalten Wolken zerflossen, seit einer Stunde fiel kein lauer Regen mehr. Und die Abendsonne warf breite Streifen in die violetten Nebel von Tonkin.

Unten schaukelten die Dschunken, erwachten wieder zum Leben. Die Leute krochen heraus; mit runden Schaufeln, Wischlappen und Tamarindenbesen warfen sie das Wasser heraus, trockneten und reinigten den Sampan. Aber keiner sprach; still, unhörbar fast arbeiteten sie; kaum drang ein kleinstes Geräusch herauf zu den Blättern und Ranken. Eine große Dschunke fuhr vorbei, dicht besetzt mit Legionären. Ich winkte den Offizieren, die im Sampan lagen; sie dankten wehmütig. Hätten wohl auch lieber bei mir gesessen auf der breiten Veranda von Edgard Widerholds mächtigem Bungalow, als da hinaufzufahren, tagelang, wochenlang durch den heißen Regen, hinauf zu ihrer elenden Station. – Ich zählte – wenigstens fünfzig Legionäre waren auf der Dschunke. Gewiß ein paar Irländer und Spanier, Vlamen und Schweizer – – und der Rest: Deutsche. Wer mag dabei sein? Keine Wassertrinker, aber Jungen, an denen Tilly und der tolle Christian seine Freude gehabt. Sicher sind Brandstifter darunter, Räuber und Mörder – was will man Besseres zu solchem Krieg? Die verstehen ihr Handwerk, das mag man glauben. Und dann die, die von oben kommen, die, die verschwinden aus der Gesellschaft, untertauchen in die trüben Fluten der Legion. Pfarrer und Professoren, Hochadel und Offiziere. Fiel doch ein Bischof beim Sturm auf Ain-Souf, und wie lange ist’s her, daß ein deutsches Kriegsschiff von Algier die Leiche eines anderen Legionärs abholte und ihr alle Ehren erwies – eines königlichen Prinzen?

Ich beuge mich über die Brüstung: „Vive la Legion!“ Und sie rufen zurück, brüllen laut aus schleimigen Trinkerkehlen: „Vive la Legion! Vive la Legion!“ Sie haben ihr Vaterland verloren und die Familie, Haus, Heim, Ehre und Geld. Haben nur ein einziges, das das alles ersetzen soll: Korpsgeist – – Vive la Legion!

Oh, ich kenne sie. Trinker und Spieler, Beschützer von Dirnen, Deserteure, aus allen Lagern entwichen. Anarchisten alle – die nicht wissen, was Anarchismus ist, die sich empörten und flohen vor einem Zwang, der unerträglich war. Verbrecher halb und halb Kinder, kleine Hirne und große Herzen – echte Soldaten. Landsknechte mit dem rechten Instinkt, daß Plündern und Schänden eine gute Sache sei und ihr ehrlich Handwerk – denn zum Totschlagen sind sie geworben, und wer das Große darf, dem ist auch das Kleine erlaubt. Abenteurer, die zu spät in diese Welt kamen, diese Welt von heute, die Individuen verlangt, stark genug, ihre eigenen Wege zu schlagen. Ein jeder von ihnen war zu schwach dazu, brach zusammen mitten im Dickicht, kam nicht weiter. Vom breiten



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