Götterfall by Lüpkes Sandra

Götterfall by Lüpkes Sandra

Autor:Lüpkes, Sandra
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Deutscher Taschenbuch Verlag
veröffentlicht: 2013-08-15T00:00:00+00:00


[15. Juni, 12.45 Uhr, Jökulsárlón, Parkplatz, Island]

Im größten Chaos steckt oft die größte Chance. Wenn alles verquer läuft, die Leute austicken, panisch werden, durcheinanderrennen, dann bist du – wenn du trotzdem einen klaren Kopf behältst – der Gewinner.

Frankie wurde vom Blaulicht gestreift, gerade schoben sie Wencke auf einer Trage ins Innere des Krankenwagens. Davon sehen konnte er nichts, zu viele Gaffer. Dabei gab es nichts Weltbewegendes zu glotzen, dieses zähe Weibsbild war doch noch immer ganz und lebendig, ein unverschämtes Glück hatte sie gehabt. Natürlich macht es so einen Körper auch kaputt, wenn er mehr als eine Minute bewegungslos im Eiswasser schwimmt, bevor er wie ein nasser Sack über die luftgefüllte Seite eines Schlauchbootes gezogen werden kann. Die meisten waren sich sicher: Die Frau ist tot. Schau mal, wie blass die ist! Diese blauen Lippen! Die blutigen Hände! Die muss tot sein! Aber Frankie war von Anfang an klar gewesen, Wencke überlebt so etwas.

Jetzt erst recht, wo sie alles zu wissen glaubte über den Fall Jan Hüffart. Und über Doro, das Kind, wahrscheinlich auch über das, was damals mit Doro passiert war. Da würde sie doch nicht einfach an Unterkühlung sterben!

Frankie hatte keine Ahnung, was genau passiert war, kurz bevor Wencke über Bord ging, hatte er sie im allgemeinen Gedränge aus den Augen verloren. Da muss noch jemand auf dem Boot gewesen sein, jemand, der kurzen Prozess machen wollte, dabei aber Wencke ziemlich unterschätzt hat. Besser, jetzt schleunigst das Weite zu suchen, fand Frankie, doch den Gefangenentransporter wollte er lieber stehen lassen. Bestimmt bot sich hier die Gelegenheit für einen Fahrzeugwechsel, es gab schließlich immer ein paar idiotische Touristen, die vor lauter »Boah, guck mal, Schatzi, wie schön« vergaßen, das Mietauto abzuschließen. Er machte sich auf die Suche. Schlich harmlos über die Parkfläche. Testete ab und zu, ob eine Tür aufging, hatte aber Pech. Noch eine Reihe nichtssagender Karren weiter hinten, direkt am Ufer, na dann … Da, der alte, rostige Nissan zum Beispiel hatte mit Sicherheit keine Schickimicki-Zentralverriegelung, da war die Wahrscheinlichkeit groß, von der Beifahrerseite her in den Wagen zu kommen, weil heute keine Sau mehr dran denkt, den kleinen schwarzen Knopf altmodisch per Hand runterzudrücken, so wie damals, in der Zeit vor dem Knast. Und tatsächlich, es war ein Klacks.

Im Auto roch es nach Kotze, so schlimm, dass man den Atem anhalten musste. Okay, das musste er in Kauf nehmen. Dafür waren die Zündkabel unter dem altersschwachen Armaturenbrett so simpel kurzzuschließen, dass sogar er als ehemaliger Ossi nach zwanzig Jahren Gesellschaftsabstinenz kein Problem damit hatte. Der Gestank wurde durch die Lüftung stärker, wirklich ekelhaft, doch der Rückwärtsgang flutschte leicht wie eingebuttert und als er dann Gas gab, machte die Karre keine Mätzchen, gerade so, als hätte sie nur darauf gewartet, gemeinsam mit ihm durchzubrennen.

Dann sah Frankie den Rollstuhl. Er stand verlassen neben einem Felsenstück nahe der Hängebrücke, als wäre Hüffart eben einem Wunderheiler begegnet und fröhlich von dannen spaziert, am besten noch über das Wasser. Tatsächlich, etwa zwanzig Meter weiter entdeckte er Karl Hüffart, der am schmalen



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