Gormenghast, 3. Buch, Der letzte Lord Groan by Peake Mervyn

Gormenghast, 3. Buch, Der letzte Lord Groan by Peake Mervyn

Autor:Peake, Mervyn [Peake, Mervyn]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Fantasy
Herausgeber: Klett-Cotta
veröffentlicht: 2015-11-05T16:00:00+00:00


Sechzig

ie Schwarze Rose, auf der anderen Seite des Ringes, hatte das Messer Veils auf blitzen sehen. Sie wusste, er schliff es immer scharf wie eine Rasierklinge. Sie erkannte, dass der junge Mann keine Waffe hatte, nahm alle ihre Kraft zusammen und schrie: »Gebt ihm eure Messer – eure Messer! Die Bestie wird ihn umbringen!«

Hundert Hände glitten, als sei die Versammlung aus einem Alptraum oder aus einer Trance erwacht, in hundert Gürtel, und dann war ein Dutzend Sekunden lang die Luft hell vor Stahl, und die große Halle klirrte unter dem Geräusch von Metall auf Stein. Waffen aller Art lagen wie Sterne verstreut auf dem Boden. Einige auf trockenem Boden, andere blitzten in Wasserlachen.

Aber da war eine lange, schlanke Waffe, ein Mittelding zwischen Messer und Schwert, welche, weil sie an Titus’ Kopf vorbeisauste und mit einem Aufspritzen weit von Veil entfernt niederfiel, ihn unvermittelt zum Handeln zwang. Er drehte sich um und rannte an die Stelle, und als er sie aus dem flachen Wasser hob, stieß er ein lautes Lachen aus, nicht aus Freude, sondern vor Erleichterung, dass er etwas festhalten konnte, etwas mit einer Klinge, etwas Schärferes, Härteres und Tödlicheres als seine bloßen Hände.

Er hielt sie beidhändig am Knauf vor sich wie eine Fackel. Das Wasser reichte ihm über die Knöchel und spiegelte ihn bis ins kleinste Detail wider.

Jetzt war Veil so dicht an Titus herangekommen, dass nur noch bloße zehn Fuß sie voneinander trennten, und man hätte denken können, dass einer aus der Versammlung dem jungen Mann zu Hilfe geeilt wäre. Aber keiner rührte auch nur den Finger. Die Banditen nicht weniger als die Schwächlinge starrten in einer Art allgemeiner Trance auf die Szene. Sie beobachteten, aber sie konnten sich nicht rühren.

Der Grillenmann rückte näher, und dabei trat Titus einen Schritt zurück. Er zitterte vor Furcht. Veils Gesicht schien sich zu entblößen wie eine üble Schwäre. Es verschwamm vor seinen Augen wie die Schlieren des grauen Schleims im Topf. Es war anstößig. Anstößig nicht aufgrund seiner Hässlichkeit oder auch der darin enthaltenen Grausamkeit, sondern weil es eine beständige Erinnerung an den Tod ausdrückte.

Einen Sekundenbruchteil blitzte Verständnis durch Titus’ Gedanken. Einen Moment lang verließ ihn sein Hass. Er verabscheute nichts. Der Mann war mit seinem Gebein und Gedärm geboren. Er konnte nichts dafür. Er war mit einem derart geformten Schädel geboren, dass nur Unheil ihn bewohnen konnte.

Aber der Gedanke blitzte auf und versank wieder, denn Titus hatte zu nichts anderem Zeit, als zu überleben.



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