Frau Hasemann feiert ein Fest: und andere Geschichten (German Edition) by Silke Schütze

Frau Hasemann feiert ein Fest: und andere Geschichten (German Edition) by Silke Schütze

Autor:Silke Schütze [Schütze, Silke]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783955204983
veröffentlicht: 2014-11-10T05:00:00+00:00


Kapitel 4

Einige Momente später stehe ich in der kalten Luft am Geländer der Dachterrasse und blicke über das nächtliche, verschneite Hamburg, das mit blinkenden Lichtern vor mir liegt.

Ich setze mich auf einen verwaisten Blumenkübel. »Du bist eine solche Idiotin, Jessica!«, sage ich laut. »Was hast du denn erwartet, leise Geigenmusik im Hintergrund?«

Mein Leben ist leider nur in den schlechten Momenten wie im Kino. Die guten Momente spart es gerne aus, die kann ich mir nur auf der Leinwand ansehen.

In Das Apartment gibt es übrigens das schönste Happy End der Filmgeschichte: Nach dem verheirateten Schurken taucht plötzlich Jack Lemmon auf, der schon lange in Shirley verschossen ist, ohne dass sie es gemerkt hat. Er rettet ihr das Leben, und irgendwann hocken sie nebeneinander auf dem Sofa und spielen Gin Rommé. Sie sitzen da ganz fidel, und Jack sagt: »Miss Kubelik.« So heißt Shirley MacLaines Rolle. Damals siezten die Leute sich noch, aber wie er ihren Namen sagt, kann einem das Herz brechen. Er sagt also: »Miss Kubelik, ich liebe Sie. Ich liebe Sie von ganzem Herzen.« Und sie mischt einfach die Karten, lächelt dieses Wärmelampenlächeln und sagt, während sie ihm den Kartenhaufen zuschiebt: »Halt den Mund und gib.«

Ich kriege bei dieser Szene jedes Mal Schluckauf vor lauter Glück.

Jetzt aber bin ich Lichtjahre vom Glück entfernt. Dieser blöde Mark! Mir schießen Tränen in die Augen, und ich lasse den Absatz meines linken Stiefels wütend gegen den Blumenkübel krachen. Beinahe hätte ich dabei eine Rotweinflasche, die dort steht, umgeworfen. Wie kommt die denn hierher?

Egal.

Sie ist geöffnet.

Und wenn jemand einen Grund hat, sich zu betrinken, dann ich! »Fröhliche Weihnachten, dumme Gans!«, proste ich mir selbst zu und hebe die Flasche an den Mund.

»Das geht jetzt aber zu weit«, ertönt eine Stimme aus dem Dunkel. Erschrocken verschlucke ich mich und spucke mir jede Menge Wein auf die Jeans. Im Dunkel kann ich einen glühenden roten Punkt erkennen. Da raucht jemand eine Zigarette, beruhige ich meine flatternden Nerven. »Wer ist da?«

Eine Gestalt tritt aus dem Dunkel in den schwachen Lichtschein, der durch die Glastüren auf die Terrasse fällt. »Der Brötchentrottel!«, entfährt es mir.

»Die Vollkorn-Zicke!«, kontert der so Angesprochene, nimmt einen letzten Zug von seiner Zigarette und versenkt sie dann in einem ausrangierten Blumentopf auf der Balustrade.

Ein Zeuge für mein peinliches Verhalten hat mir gerade noch gefehlt. »Wie lange bist du schon hier?«, fahre ich ihn an. »Und überhaupt, was geht dir zu weit?«

Der Brötchentrottel, der bei näherem Hinsehen in meinem Alter sein dürfte, aber definitiv nicht so derangiert aussieht, wie ich mich gerade fühle – zeigt auf die Weinflasche.

Hä?

Ich sehe ihn fragend an. Und gewinne dabei eine erstaunliche Erkenntnis: Der Brötchentrottel sieht richtig nett aus. Was auch daran liegen mag, dass ich ihn zum ersten Mal ohne Mütze sehe. Blonde Locken fallen ihm auf sehr sympathische Weise unordentlich in die Stirn. Komisch, dass mir vorher auch noch nie seine grünen Augen aufgefallen sind, die hohen Wangenknochen und die Sommersprossen.

Der Brötchentrottel hat glücklicherweise keine Ahnung von meinen Gedanken und antwortet: »Erstens: Die Weinflasche hatte ich für mich organisiert.



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