Flammende Steppe by Ashley Carrington

Autor:Ashley Carrington
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Roman
Herausgeber: hockebooks gmbh
veröffentlicht: 2014-08-28T16:00:00+00:00

8

Was folgte, erschien Lena wie ein bunter, wilder Traum, der drei Tage und drei Nächte andauerte und eine einzige Kette aufregender Vergnügungen bildete. Jede Minute des Tages war ausgefüllt, wie auch die Stunden der Nacht bis in den frühen Morgen hinein. Julian und Lionel wetteiferten förmlich darum, sich gegenseitig mit einfallsreichen Unternehmungen auszustechen und sie von einer Überraschung zur anderen zu führen.

Und was gab es in Johannesburg nicht alles zu sehen und zu unternehmen! Die Stadt wirkte auf Lena wie eine moderne Märchenwelt, in der hinter jeder Straßenecke ein neues Wunder wartete.

Schon auf der kurzen Fahrt vom Bahnhof zu Julians Pension in der Kerk Street drang eine solche Flut von faszinierenden Eindrücken auf Lena ein, dass sie mehrmals kurz die Augen schloss, weil sie fürchtete, die unzähligen auf sie einstürmenden Bilder und Empfindungen nicht verkraften zu können. Wohin sie auch schaute, ihr Blick fiel auf hoch aufragende Häuser aus Granit und Backstein, die so dicht an dicht standen wie noch nicht einmal das Schilf am Vaal. Wie die Palisaden, die ein nimmermüder Riese errichtet hatte, bildeten die Gebäude, die bis zu acht Stockwerke in den Himmel stiegen, eine Straße nach der anderen. Und aus diesen sich verzweigenden Straßenzügen setzte sich ein unfassbares, gewaltiges Labyrinth zusammen, das sich in alle Himmelsrichtungen scheinbar endlos ausdehnte und in dem Menschen so zahlreich und geschäftig wie Ameisen hin und her irrten, als könnten sie den rettenden Ausgang aus diesem steinernen Labyrinth nicht finden.

Lena war auf Leeuwenhof mit der ebenso unbewussten wie selbstverständlichen Überzeugung aufgewachsen, dass die Welt überall so überschaubar war wie ihre Farm und das weite, offene veld. Leeuwenhof war im Kleinen, was die Welt im Großen ausmachte, das hatte sie als so gegeben hingenommen wie die Sonne bei Tag und den Mond bei Nacht. Jonkheersdorp hatte in diesem Weltbild seinen sicheren Platz gehabt, denn die beiden sich am outspan kreuzenden Straßen mit der Kirche und ihren gerade mal drei Dutzend einstöckigen Häusern aus weiß getünchten Lehmziegeln waren genauso leicht zu überblicken wie eine Farm.

Und nun Johannesburg!

Wäre Lena vorher nicht zweimal in Vereeniging gewesen, so lächerlich armselig diese Stadt sich neben Johannesburg auch ausnehmen mochte, der Schock wäre möglicherweise zu groß gewesen.

Sie hatte noch nie in ihrem Leben ein Fahrrad gesehen und hier radelten sie zu Dutzenden, ja Hunderten auf diesen seltsamen, fragilen doppelrädrigen Gestellen durch den dichten Verkehr aus Reitern, Fuhrwerken, Droschken, Einspännern und Bahnen! Sogar vornehm gekleidete Männer, mit Bowler oder weißem Strohhut auf dem Kopf, fuhren durch die Straßen.

»Fahrräder sind hier groß in Mode«, erklärte Julian. »Von denen gibt es in Johannesburg mehr als siebentausend. Sogar die Frauen haben einen eigenen Klub gegründet. Vielleicht findet am Wochenende ja zufällig ein Rennen auf dem Gelände vom Wanderers Club statt, das wir uns ansehen können.«

Aber Fahrräder, mehrstöckige Steinhäuser zu Tausenden, gepflasterte Straßen und Straßenbahnen waren nicht das Einzige, was Lena zum ersten Mal in ihrem Leben zu Gesicht bekam. Das war nur der Anfang.

Julian bestand darauf, ihr ein neues Kleid zu kaufen, damit er sie darin ins Theater ausführen konnte. Lena lachte ihn aus.

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