Flammen des Himmels by Lorentz Iny

Flammen des Himmels by Lorentz Iny

Autor:Lorentz, Iny [Lorentz, Iny]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Historischer Roman
Herausgeber: Knaur eBook
veröffentlicht: 2013-09-29T00:00:00+00:00


9.

Am nächsten Tag wachte Frauke später auf als gewöhnlich. Als sie die Uhr von Sankt Ludgeri die erste Morgenstunde schlagen hörte, sprang sie aus dem Bett und fuhr in ihr Kleid, ohne sich zu waschen. Noch während Silke schlaftrunken aufsah, eilte sie zur Tür hinaus, hob die beiden Eimer auf, die es in diesem Haus gab, und schlug den Weg zum Brunnen ein.

Sie war die Erste dort und atmete auf. Doch als sie den Schöpfeimer in den Brunnenschacht hinablassen wollte, sah sie, dass dieser bereits unten war. Ohne sich viel dabei zu denken, wollte sie ihn wieder hochziehen, doch er rührte sich nicht. Nun stemmte sie sich mit aller Kraft gegen die Kurbel, aber es gelang ihr nicht, den Eimer hochzuziehen.

»Der kann sich doch nicht unten irgendwo verhakt haben«, sagte sie verzweifelt und versuchte es erneut. Genauso gut hätte sie an einem Felsblock zerren können.

Gegen ihren Willen kamen ihr die Tränen. Auch wenn sie nichts dafür konnte, würde Katrijn sie schelten. Wie durch einen Schleier sah sie jemanden auf sich zukommen, doch erst, als sie sich die Augen trocken wischte, erkannte sie die Frau, der sie zwei Tage zuvor das offene Tor zu verdanken hatte.

»Guten Morgen!«, grüßte sie erleichtert. »Der Schöpfeimer sitzt unten fest. Vielleicht schaffen wir es zu zweit, ihn hochzuholen.«

Lothar freute sich, Frauke zu sehen, obwohl er sich sagte, dass er ihre Nähe meiden musste, um der Gefahr einer Entdeckung zu entgehen. Dennoch trat er neben sie.

»Versuchen wir es«, murmelte er extra undeutlich, damit sie ihn nicht an seiner Stimme erkennen sollte.

Als er die Kurbel drehen wollte, spürte er das Gegengewicht, aber auch, dass er unter Aufbietung aller Kräfte den Eimer etwas heben konnte.

»Der sitzt nicht fest. Da ist etwas drinnen! Komm, hilf mit! Gemeinsam bekommen wir den Eimer herauf.«

Sofort fasste Frauke zu, und schon berührten sich beider Hände. Während das Mädchen erleichtert lächelte, durchfuhr es Lothar wie ein Schlag. Am liebsten hätte er Fraukes Hände in die seinen genommen und nicht mehr losgelassen. Er besann sich jedoch und begann, die Kurbel zu drehen.

Obwohl Frauke ein kräftiges Mädchen war und alles einsetzte, musste er sich völlig verausgaben, um den Eimer nach oben zu bringen. Als er ihn endlich greifen und auf den Brunnenrand ziehen konnte, fluchte er leise. Böswillige Leute hatten in der Nacht den Eimer mit Steinen gefüllt und in den Schacht hinabgelassen. Es mochte ein Dummejungenstreich gewesen sein, dennoch hatte er ein ungutes Gefühl. Hier in der Stadt gab es etliche Gruppen, die darauf lauerten, einander zu schaden. Zwar hatte er schon einiges von Haberkamp gehört, doch in der kurzen Zeit seit seiner Ankunft war es ihm weitaus deutlicher klargeworden.

»So, das hätten wir geschafft«, rief Frauke erleichtert. »Wer mag das getan haben?«

Lothar zuckte mit den Achseln. »Das weiß ich nicht. Wir sollten jetzt den Eimer ausleeren und dann Wasser schöpfen. Du wirst gewiss daheim erwartet!«

»Das kannst du laut sagen!«, rief Frauke aus. »Aber da du mir geholfen hast, sollst du als Erste schöpfen. Ich muss sagen, du bist ganz schön kräftig! Das sieht man dir gar nicht an.



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