Eine lange Nacht auf Erden by Ingvar Ambjørnsen

Eine lange Nacht auf Erden by Ingvar Ambjørnsen

Autor:Ingvar Ambjørnsen
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Rotbuch Verlag
veröffentlicht: 2007-01-01T00:00:00+00:00


VORBEREITUNGEN

Was Claes Otto Gedde dazu veranlasste, den Teil seiner Selbst zu aktivieren, den er gern als den Mann der Tat bezeichnete, die Gelegenheit beim Schopfe zu packen, die Lage zu seinem Vorteil zu wenden, den Mantel anzuziehen, die Hintertreppe hinunterzulaufen, alles in einer einzigen langen ununterbrochenen Bewegung, der Mantel, die schleichenden Schritte, die Tür zugeschlagen, Klatsch, dann warten und lauschen. Nichts. Unten auf dem Treppenabsatz vor der Wohnung der Geschwister Effert blieb er abermals stehen und lauschte, um dann zur Tür zu gehen, Ohr an die Tür, und jetzt glaubte er, von drinnen Stimmen zu hören, ferne Stimmen, aber ob die von Hiltraut und Erkenbod stammten, oder zum Beispiel von einem Fernseher oder Radio, war unmöglich zu sagen, ihm fiel ein, dass er auch nicht wusste, ob die Geschwister die Wohnung noch mit anderen teilten, mit mehreren, ihre zweisame Existenz war nur ein Eindruck, und der brauchte ja nicht viel wert zu sein. Das Einzige, was im Grunde von Bedeutung war, war, dass er jetzt, nach allerlei Hin und Her, ganz allein über Margot Breiviks Wohnung verfügte, jetzt war er endlich dort, wo in seiner Vorstellung die lange Winternacht vor sich gehen sollte, die Stille, die selbstgewählte Einsamkeit, aber essen musste er, schlichte Kost, Linsen und Hackfrüchte, Essen für die erste Woche, damit er es sich in seinem Reich gemütlich machen konnte, er wollte in dieser ersten Woche nicht ausgehen, er wollte im Bett bleiben und sich in Schlaf und Träumen suhlen, der Alkohol konnte warten, alles andere konnte warten, nur eine Woche voller schläfriger Phantasien jetzt nach dem wenig erfolgreichen Aufenthalt in Frankfurt, er würde nicht ans Telefon gehen, nicht die Tür öffnen, falls Hiltraut oder andere auf die Idee kämen, zu klingeln, er würde Hiltraut per SMS mitteilen, er halte sich nicht mehr in Berlin auf, es sei zu viel gewesen, zu hektisch, nicht wie geplant, nach einer Woche würde er sehen, was passierte, ob er sich zum Beispiel entschied, zurückzufahren, er war ja trotz allem nicht in Erklärungsnöten, jedenfalls nicht ihr gegenüber, und es ärgerte ihn, dass er jetzt hier die Treppe hinunterging und sich das alles erklärte, wieder und wieder sogar.

Aber hätte es nicht ein wenig besser gehen können? Hätte es nicht so gut gehen können, dass es ihm erspart geblieben wäre, im Türspalt im Erdgeschoss auf die kleine stumpfe Nase von Rosel Gassmus zu stoßen, auf den stechenden Blick über der stumpfen Nase, als sie lächelnd dastand und auf ihn wartete, mit rotem Zahnfleisch und Nagelzähnen lächelte, während der Essensgeruch aus dem Wohnungsinneren auf ihn einströmte und durch ihre leicht schüttere Frisur gefiltert wurde. Dort stand sie und wartete auf ihn, und wie hatte er vergessen können, dass solche Frauen, lebenslange Bewohnerinnen solcher Häuser, die Zukunft aus fernen Schritten auf der Treppe lesen, durch Mauerwerk und morsches Holz sehen können; dort stand sie und wartete auf ihn, denn sie hatte gewusst, dass er unterwegs war, seit der Sekunde, in dem er beschlossen hatte, die Wohnung zu verlassen, das war unangenehm und ein wenig traurig, deshalb



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