Ein Ort zum Verlieben by Limone Loredana

Ein Ort zum Verlieben by Limone Loredana

Autor:Limone, Loredana [Limone, Loredana]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783455001815
veröffentlicht: 2017-03-01T14:43:47+00:00


28

Mariolinas Sorge

Mariolinas Geist war wie ein Wald, in dem so viele giftige Pilze wuchsen, dass sie kaum noch die anderen sah. Zu gerne wäre sie Letizias Rat gefolgt – lass die schlechten stehen und pflücke nur die guten und brate diese dann in der Pfanne –, aber es gelang ihr nicht. Pessimistische Gedanken hatten sich in ihrem Kopf festgesetzt und plagten sie Tag und Nacht, und so träumte sie schlecht. Der Schritt vom Pessimismus zu Schuldgefühlen war nur kurz.

Sie ging also zum Arzt, und der verschrieb ihr etwas gegen Depressionen. »Sie haben eine depressive Veranlagung, und im Frühjahr bricht dies oft aus. Das ist typisch für diese Jahreszeit. Nehmen Sie die Tabletten einen Monat, und dann sehen wir weiter.«

In der ersten Woche hatte sie sich deutlich schlechter gefühlt, ihr war schwindelig, ihr Magen zog sich zusammen, ihr war kalt. Sie hatte keinen Appetit mehr (das war das Einzige, worüber sie sich freute) und bekam Durchfall. Aber seit ein paar Tagen fühlte sie sich besser. Sie war heiter und beinahe optimistisch. Sie konnte sich gut auf ihre Arbeit konzentrieren und fing an zu glauben, sie könnte es schaffen. Sie sagte sich, die Vergangenheit sei vorbei, und man könne eh nichts daran ändern, es sei besser, alles zu nehmen, wie es sei, und sich zu verzeihen. Wenn es überhaupt etwas zu verzeihen gibt, dachte sie in den Momenten, in denen ihr das Glas halb voll und nicht halb leer erschien.

Als sie aber im Ort den Maresciallo Saltalamacchia getroffen hatte, überkam Mariolina große Besorgnis, und sie fand nicht den Mut, mit Ruggero darüber zu sprechen. Sie sagte es auch ihrem Beichtvater nicht, weil es ihr für sein heiliges Amt zu beleidigend schien und auch weil Priester oft die Ersten waren, die … immer mal wieder wurde einer verhaftet. Aber so konnte sie nicht weitermachen.

Zu Hause stellte sie Ruggeros Büro auf den Kopf, um Beweise zu finden, und einmal war sie zu EdilBorgo gegangen, weil er einen Termin hatte und die Sekretärin nicht da war, und suchte überall, selbst im Tresor, dessen Zahlenkombination sie seit ihrer Hochzeit kannte. Hier fand sie dann auch das Blatt, das ihn überführte: eine Liste mit Namen, Vornamen und Geburtsdaten von Minderjährigen. Dieser Fund erklärte, was sie ihn leise am Telefon hatte sagen hören: »Wir nehmen sie ab sechzehn und drüber« und auch den Satz von Saltalamacchia: »Wir haben das Problem mit dem Jungen gelöst.« In jeder Zeile stand eine Zahl zwischen zweihundert und tausend Euro.

Mariolina war bemüht, sich nichts anmerken zu lassen. Als habe sie nichts gesehen, nichts gehört und nichts begriffen. Sie wollte alles im Meer ihres Unbehagens versenken, doch immer wieder tauchte das Gespenst wieder auf. In aller Deutlichkeit, schrecklich und widerwärtig.

Hatte Ruggero deshalb erst mit fünfunddreißig geheiratet? Oder hatte ihn das Trauma ihrer Fehlgeburt auf Abwege gebracht? Vielleicht der Kummer darüber, dass er nun doch keinen Sohn haben würde?

Es war einfach grauenhaft.

Sie litt bei dem Gedanken, dass er … Doch so ganz konnte sie es nicht glauben.

Und doch.

Es war mitten in der Nacht, Mariolina hatte die Augen geschlossen und lauschte auf die Geräusche, die in der Stille besser zu hören waren.



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