Dunbridge Academy - Anyone (German Edition) by Sarah Sprinz

Autor:Sarah Sprinz [Sprinz, Sarah]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: LYX.digital
veröffentlicht: 2022-05-24T23:00:00+00:00

CHARLES

Es war schwerer als gedacht, beim Essen mit Mum und Dad ruhig an meinem Platz zu sitzen und nicht ständig nervös auf mein Handy zu schauen. Doch dann hätten sie sofort bemerkt, dass etwas nicht stimmt, und wenn ich heute für eine Sache keine Nerven habe, dann meinen Eltern zu erklären, was geschehen ist. Es ist nicht so, dass ich mit Mum und Dad nicht über alles reden könnte, doch die Sache mit Tori und mir ist in diesen vier Wänden seit Jahren ein Running Gag. In der Schule würde sie niemals eine Bemerkung fallen lassen, doch hier macht Mum keinen Hehl daraus, dass sie in Tori ihre zukünftige Schwiegertochter sieht. Und dabei kann ich noch so oft betonen, dass wir nur Freunde sind, insgeheim glaubt sie mir genauso wenig wie Dad, der schon ständig fragt, wann Tori eigentlich mal wieder mit zum Essen kommt. Tja, vor ein paar Stunden hätte ich selbstbewusst und naiv behauptet, vermutlich bald öfter, aber je mehr Zeit verstreicht, desto weniger sicher bin ich mir da. Ich habe sie geküsst, ich habe nicht nachgedacht, geschweige denn gefragt, ob das eigentlich in Ordnung ist für sie. Und anstatt darüber mit ihr zu sprechen, habe ich zugesehen, wie sie anschließend mit Valentine Ward davongegangen ist. Es ist alles so abgefuckt, ich möchte schreien. Um sie nicht sehen zu müssen, habe ich mich kurzerhand bei meinen Eltern zum Abendessen eingeladen.

Ich verdränge jeden Gedanken an Tori, erzähle von Jubilee und den Proben. Das Gespräch mit Mr Acevedo lasse ich lieber aus. Ich hoffe ja nicht, dass er sich mit Mum über mich austauscht. Es wäre unangenehm, aber vielleicht würden sie und Dad ihre Erwartungen dann etwas runterschrauben. Seit die beiden wissen, dass ich den Romeo spielen werde, reden sie ununterbrochen davon, wie sehr sie sich auf die Aufführung im Sommer freuen. Wenn es nicht so albern wäre, würde ich ihnen immer noch am liebsten verbieten zu kommen. Es wird schon schlimm genug, wenn ich mich vor der gesamten Schule blamiere. Und wenn es so weitergeht wie aktuell, dann werde ich das. Bis auf die Knochen.

Gerade habe ich glücklicherweise andere Sorgen. Sie fangen mit T an und hören mit ori-geküsst auf. Ich weiß nicht, wie lange ich unschlüssig auf mein Handy starre, als ich rechtzeitig zur Flügelzeit zurück im Internat bin. Emma ist nebenan bei Henry, und mir fällt wieder ein, dass wir später im alten Gewächshaus verabredet sind. Am liebsten würde ich absagen, aber dann wird mir bewusst, dass Tori vielleicht gar nicht dabei sein wird. Bestimmt hängt sie lieber mit den Zwölftklässlern in diesem ranzigen Verlies ab. Vor nicht allzu langer Zeit hätte ich ihr geschrieben, ohne auch nur eine Sekunde darüber nachzudenken. Ich weiß nicht, wann sich das verändert hat, ich weiß nur, dass ich es hasse. Wirklich. Ich verabscheue es, dass Tori nicht mehr der Mensch ist, dem ich alles erzählen kann. Aber noch mehr hasse ich, dass sie mir nichts mehr erzählt.

Unseren Chat zu öffnen gleicht einem Schlag in die Magengrube. Die letzte Nachricht ist über eine Woche alt.

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