Drei Tage im Paradies by Werner Köhler

Drei Tage im Paradies by Werner Köhler

Autor:Werner Köhler [Köhler, Werner]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: General Fiction
Herausgeber: Kiepenheuer & Witsch
veröffentlicht: 2011-02-07T23:00:00+00:00


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VIII.

Faber schlug die Augen auf. Seine Mundhöhle war ausgetrocknet, der Hals schmerzte. Unter der Bettdecke herrschte ein subtropisches Klima. Er war nass geschwitzt. Schlaftrunken erhob er sich, taumelte ins Bad und stellte sich unter die Dusche. Das Wasser kühlte ihn, spülte den Schweiß von der Haut, dämpfte fürs Erste seine Ängste.

Die Gespräche vom Vorabend gingen ihm durch den Kopf. Er hatte vom ersten Besuch bei seiner Schwester in Chile geträumt. Zerstrittene Geschwister sehen sich nach Jahren wieder. Die große Nervosität, die er den ganzen Besuch über nicht wirklich hatte ablegen können. Sein rasender Puls und eine Atmung, die sich nur schwer kontrollieren ließ. Ausatmen war ihm schwergefallen.

Angst. Seit den New Yorker Sitzungen wusste er, dass es Angst war, die solche Reaktionen hervorrufen konnte. Und Schlimmeres. Damals hatte er vermutet, er werde krank und nicht zugelassen, sein Befinden mit dem Besuch bei Inka zu erklären.

Die ersten Stunden des Treffens hatten sie damit verbracht, ihre Lebensgeschichten auszutauschen. Faber eher kurz angebunden. Fotograf sei er. Früher habe er sich in Krisengebieten herumgetrieben, heute würde er nurmehr Jobs annehmen, die ihn tatsächlich interessierten. Für eine dauerhafte Bindung fehle ihm die Zeit. Dann forderte er seine Schwester auf, ihm zu erklären, warum sie derart auf seinen Besuch gedrängt habe.

Ruhig und sehr sachlich erzählte Inka ihm von ihrer Krankheit. Nichts an ihrem Wesen erinnerte Faber an die junge, aufbrausende Frau. Mitten in der Erzählung brach sie ab, sah ihn mit diesem durchdringenden Blick an und wechselte ohne Vorankündigung das Thema.

»Damit du dir meine Krankengeschichte anhörst, habe ich dich nicht gebeten um die halbe Welt zu reisen«, presste sie heraus. »Der Krebs frisst mich auf, daran ist nun nichts mehr zu ändern. Bald bist du der Letzte aus unserer kaputten Familie, und du wirst mit niemandem mehr über unsere Geschichte sprechen können. Lassen wir also das Geplänkel. Und um eine normale liebevolle Bruder-Schwester-Beziehung auf die Beine zu stellen, ist es ohnehin zu spät. Das siehst du sicher ähnlich?« Faber schwieg. »Das soll kein Vorwurf sein. Und wenn, dann träfe er mich mehr als dich. Schließlich bin ich die Ältere von uns beiden und damals warst du noch so klein und ich so …« Sie schüttelte kurz den Kopf. »Ich habe dich gerufen, um mich bei dir zu entschuldigen. Weil ich dich allein gelassen habe. Obwohl ich wusste, dass du mich brauchen würdest. Du warst so ängstlich damals, so unendlich traurig. Ich schäme mich so sehr.«

»Schnee von gestern«, hatte Faber geantwortet und gehofft, damit wäre der Rückblick in die Vergangenheit beendet. Er fühlte sich unwohl, wusste nicht, was das alles bedeuten sollte, was Inka ihm eigentlich sagen wollte.

»Schnee von gestern? Ja, irgendwie schon. Aber sag mal, warum hast du eigentlich deinen Namen geändert? Und wieso Faber? Hat das was mit diesem Roman zu tun?«

»Das ist deine Frage?«

»Ja. Warum? Mutter hat ihn bis zuletzt getragen. Obwohl ich glaube, dass sie alles wusste. Am Ende hat sie nicht mehr gezweifelt, obwohl …«

»Ich habe mir einen Künstlernamen zugelegt. Das hat nichts zu bedeuten und auch nichts mit dem Buch zu tun. Ich habe es erst Jahre später gelesen.



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