Dinner im Restaurant Heimweh (German Edition) by Anne Tyler

Dinner im Restaurant Heimweh (German Edition) by Anne Tyler

Autor:Anne Tyler
Die sprache: deu
Format: azw3, epub, mobi
Tags: Roman
Herausgeber: Kein und Aber
veröffentlicht: 2014-08-26T22:00:00+00:00


6

STRÄNDE AUF DEM MOND

Zwei- oder vielleicht dreimal im Jahr geht sie zur Farm hinaus, um nachzusehen, ob alles in Ordnung ist. Sie lässt sich von ihrem Sohn Ezra hinfahren und nimmt einen Besen mit, eine Kehrichtschaufel, Putzlumpen, eine Einkaufstüte für Abfall und einen Eimer und eine Packung Reinigungsmittel. Ezra fragt, warum sie diese Hilfsmittel nicht im Farmhaus lassen kann, aber sie weiß, dass sie dort nicht sicher wären. Die »Unbefugten« würden sie sich aneignen. Ach, die Unbefugten – die kleinen Buben und die verliebten Paare und die Teenager-Banden. Sie wird wütend, wenn sie an sie denkt. Während der Wagen von der Hauptstraße abbiegt und die ausgefahrene Zufahrt entlangrattert, sieht sie bereits den Müll – die Bierdosen, zwischen das Gestrüpp und Unkraut geschmissen, die Fetzen Toilettenpapier, die von den Büschen baumeln. Dieses Stück Land ist sich selbst überlassen, und die Vegetation ist verfilzt und verwildert, stachlig, kratzig – nirgends Schatten gegen die glühende Sonne. Kleine Glitzerstückchen von Flaschendeckeln sind in den Straßenschmutz getreten. Und der Vorgarten (der nicht richtig gemäht wird, sondern von Jared Peers mit der Sichel geschnitten, ein- bis zweimal pro Sommer) ist übersät mit weißen Papptellern und -bechern, Papierservietten, Butterbrottüten, rot gestreiften Trinkhalmen und mit diesen merkwürdig langlebigen, ziehharmonikaartig geknautschten Papierwürmern, in die die Halme verpackt sind.

Ezra parkt den Wagen unter einer Eiche. »Es ist eine Schande. Eine Sünde und eine Schande«, sagt Pearl beim Aussteigen. Sie trägt ein Borkenkreppkleid, das man waschen kann, und ihre ältesten Schuhe. Auf ihrem Kopf sitzt ein breitrandiger Strohhut. Er wird den Staub von ihrem Haar abhalten – mit Ausnahme einer fahlblonden Strähne an jeder Schläfe. »Es ist ein nationales Verbrechen«, sagt sie und steht da und schaut sich um, während Ezra ihre Putzsachen auslädt. Das Haus hat zwei Stockwerke. Es ist von einem gespenstischen, verwaschenen Grau. Der Firstbalken hat nachgegeben, und die Vorderveranda ist eingesunken, und viele von den Fensterscheiben sind zerbrochen – jedes Mal mehr, wenn sie kommt.

Sie erinnert sich, wie Cody ihr das Anwesen zum ersten Mal gezeigt hat. »Stell dir vor, was man daraus machen kann, Mutter. Stell dir die Möglichkeiten vor«, sagte er. Er hatte vor, zu heiraten und hier Kinder großzuziehen – ihr Mengen von Enkeln zu liefern. Er behielt sogar das Vieh und bezahlte Jared Peers, damit er sich bis zu Codys Einzug darum kümmerte.

Das war allerdings Jahre her, und von diesen Tieren sind nur ein Paar zerrupfte Hennen übrig geblieben, verwildert, die jetzt im Maulbeerbaum draußen hinter der Scheune gackern.

Sie hat einen Schlüssel zu der verzogenen Hintertür, man braucht ihn aber nicht. Das Vorhängeschloss fehlt, und die verrostete Spange hängt offen. »Nicht schon wieder!«, sagt sie. Sie dreht den Knauf und geht hinein, ermüdet. (Eines Tages wird sie jemanden überraschen, und der wird sie für ihre Mühe noch umlegen). In der Küche riecht es schal und kalt, selbst in der Tageshitze. Eine Fliege brummt über dem Tisch herum, ein Rostfleck breitet sich hinten im Becken aus, ein einziger Vorhangfetzen aus trübem Plastik weht neben dem Fenster. Das Linoleum unten vor den Arbeitsflächen hat sein Muster verloren.



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