Die Villa an der Elbchaussee by Lena Johannson
Autor:Lena Johannson
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Aufbau digital
veröffentlicht: 2019-05-15T00:00:00+00:00
Kapitel 13
Herbst und Winter 1920
Der Sommer verstrich, der Herbst färbte das Laub rot, in den Vierlanden und Marschlanden wurde die Ernte eingefahren, sodass auf dem Hopfenmarkt die Stände mit Kohl, Rüben, mit Kartoffeln und Ãpfeln endlich wieder überquollen.
Alle waren ausgehungert, nach den langen düsteren Kriegsjahren, und langsam ging es wieder bergauf.
Vor allem aber tanzte die Welt. Sie tanzte Charleston, Frieda und Jensen tanzten mit. Frieda hatte sich extra ein neues Kleid gekauft, ein viel zu kurzes, wie ihre Mutter fand. Doch sie lieà ihre Tochter seit dem Kakao-Dinner gewähren. Wenn sie sich auch nicht um das Geschäft kümmerte, entging ihr doch nicht, dass alle Welt verrückt nach Friedas Pralinen war. Sosehr es ihr auch missfallen mochte, ihr Mann hatte nun einmal seiner Tochter das Zepter der Manufaktur in die Hände gelegt und nicht seinem Sohn. Und sie akzeptierte seine Entscheidungen.
Und Frieda genoss es! Sie fühlte sich frei wie noch nie zuvor in ihrem Leben. Noch immer mussten die meisten Menschen jeden Pfennig umdrehen, doch die Gewissheit, dass ausgerechnet durch Friedas Arbeit ein paar Mark zusätzlich in die Familienkasse flossen, erfüllte sie mit Freude und Stolz. Endlich hatte sie eine Aufgabe und war etwas wert. Dass Jensen ihr Komplimente machte, beflügelte sie zusätzlich. In Hosen, so wie Ulli, würde sie sich zwar niemals auf die StraÃe trauen, undenkbar. Aber die kürzeren Kleider, die nicht mehr den Knöchel bedecken mussten, gefielen ihr. Man konnte sich auch viel besser darin bewegen. Nach der Verabredung im Cöllnâs waren Frieda und Jensen noch einige Male ausgegangen. An einem Abend hatte sie sich ein Herz gefasst und ihn gefragt, wo er gewesen sei nach dem ersten, dem geplatzten Rendezvous.
»Wo sollte ich wohl gewesen sein?«
»Sie waren die ganze Zeit in Hamburg? Wir sind uns nie über den Weg gelaufen.«
»Hamburg ist eine groÃe Stadt«, hatte er geantwortet. »Das Schicksal wollte anscheinend nicht, dass wir uns so bald wiedersehen.« Das war typisch für ihn, Jensen nahm das Leben von der leichten Seite. Eine Eigenschaft, die Frieda ganz besonders an ihm schätzte. Sie gingen im Park spazieren oder essen, sie besuchten eine Lesung in der Thalia-Buchhandlung oder sahen sich ein Stück im Theater an. Nie machte er Anstalten, ihre Eltern kennenzulernen oder Frieda mit zu sich nach Hause zu nehmen. Sie mochte ihn, sehr sogar. Wenn sie anfangs auch irritiert von seiner Haltung war, richtete sie sich doch ausgesprochen gut damit ein. Mehr noch, immer wieder hörte Frieda von den Töchtern befreundeter Kaufmannsfamilien, die sich verlobten, bald darauf heirateten und kurz danach mit einem dicken Bauch durch die StraÃen liefen. Sobald sie den ersten Schritt machten, sobald sie sich für einen Mann entschieden, würde ihr Weg vorgezeichnet sein. Und der hatte nur reichlich wenig mit Freiheit oder Entfaltung zu tun. Genau das aber wünschte sich Frieda sehnlichst. Es lag einfach in der Luft, die Frauen ihrer Generation erlaubten sich mehr, als es ihre Mütter je gewagt hätten. Warum also nicht dieses neue Lebensgefühl genieÃen?
In diesen Tagen dachte sie oft an Clara. Sie fehlte ihr noch immer schrecklich. Ob sie über
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