Die Verlobungen by Sullivan J. Courtney

Die Verlobungen by Sullivan J. Courtney

Autor:Sullivan, J. Courtney [Sullivan, J. Courtney]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783552062504
veröffentlicht: 2014-11-07T16:00:00+00:00


2003

Delphine begutachtete ihr Werk von der Mitte des Wohnzimmers aus. Als Letztes hatte sie den Sofatisch umgekippt, das musste einfach sein, und die Tischfläche mit einer Schere in einem wilden Zickzackmuster zerkratzt.

Die schöne Lampe, die sie in einem Antiquitätenladen in Brooklyn gefunden hatte, lag in tausend Scherben am Boden. P.J. und sie hatten sich wegen dieser Lampe viel gestritten. Er hatte gesagt, das sei einfach nicht sein Stil. Dabei wusste dieser Mann doch gar nicht, was Stil und Geschmack waren. Aber zu diesem Zeitpunkt hatten sie sich sowieso schon über fast alles gestritten.

In sechs Ehejahren waren Delphine und ihr Mann sich nur wegen zweier Dinge uneinig gewesen. Das erste war, dass Henri kurz nach der Hochzeit immer öfter von seinem Kinderwunsch sprach. Henri wünschte sich eine Tochter. Er wollte sie Josephine nennen, nach seiner großen Schwester, die mit nur drei Jahren ertrunken war. Es war seltsam, sich eine große Schwester vorzustellen, die nicht einmal vier geworden war. Delphine bezweifelte, dass Henris Eltern auf diese Art an ihre verstorbene Tochter erinnert werden wollten. Aber diese Frage stellte sich ja nur, wenn sie ein Kind hätte haben wollen, und das wollte sie nicht. Sie war vierzig und für das Ganze einfach zu alt. Und obwohl sie es ihm nie gesagt hatte, hielt sie auch ihren Mann für zu alt, um noch Vater zu werden. Mit fünfundfünfzig war es wirklich zu spät, von Kindern anzufangen.

Die zweite Sache, die zu Auseinandersetzungen geführt hatte, war die Stradivari.

Die Violine war sein größter Stolz. Wenn sie jemanden zum Abendessen dahatten, holte er sie schon aus der Vitrine, bevor Delphine das Dessert servieren konnte. Beim Anblick der Geige strahlte er wie sonst nie. Wenn er ein neues Publikum vor sich hatte, referierte Henri den ganzen Abend lang über das Instrument. Dann setzte er den Gästen die vielen Theorien bezüglich der Frage auseinander, wie der unvergleichliche Klang einer Stradivari zustande kam. Seiner Meinung nach, führte er dann aus, war die überzeugendste Theorie eine, die mit besonderen klimatischen Verhältnissen argumentierte, dem Maunderminimum, das zwischen 1645 und 1715 während der Kleinen Eiszeit in Europa herrschte. Geringe Strahlungsintensität der Sonne hatte zu einer Temperaturabsenkung geführt, wodurch es zu einer verringerten Wachstumsgeschwindigkeit der Bäume kam und dadurch zu ungewöhnlich dichtem Holz. Das konnte man an den Wachstumsringen im Körper einer jeden Stradivari ablesen.

»Die Holzstärke ist optimal«, sagte er dann und drehte die Geige in seinen Händen. »Hätte Stradivari nur einen einzigen Millimeter mehr runtergenommen, wäre es um die klangliche Balance geschehen gewesen.«

Die Gäste zeigten normalerweise schon Interesse, aber leider wusste ihr Mann nie, wann es genug war. »Das hier ist noch die Originallackierung. Stellen Sie sich das mal vor! Aber die Lackierung macht das Instrument nicht nur wunderschön. Nein, nein: Sie hat auch Einfluss auf den Klang. Am Unterbügel hier ist ein kleiner Wasserschaden, aber das verleiht Charakter. Die Lady Blunt aus dem Jahre 1721 gilt allgemein als die am besten erhaltene Stradivari. Sie hat noch Darmsaiten. Aber das liegt natürlich vor allem daran, dass sie eigentlich durchgehend in Sammlerhand war und fast nie gespielt wurde, was eigentlich ein Verbrechen ist.



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