Die Varus-Legende by Thomas Mielke

Die Varus-Legende by Thomas Mielke

Autor:Thomas Mielke [Mielke, Thomas]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Roman
Herausgeber: Fischer
veröffentlicht: 2016-03-15T00:00:00+00:00


DIENSTAG

15. September 2009

Thomas Vesting kam mit fünf Stunden Schlaf aus. Er räumte sein Hotelzimmer und gab das Notebook mit sorgfältig gereinigtem Speicher an der Rezeption zurück. Er zahlte nicht mit Kreditkarte, sondern bar. Seit die US-Regierung das Gesetz durchgedrückt hatte, dass ihre Geheimdienste sämtliche E-Mails zwischen Amerikanern und anderen Personen im Ausland mitlesen durften, gab es de facto nicht einmal mehr den Anschein von Datenschutz – weder privat noch zwischen Firmen oder Journalisten. Wahrscheinlich kannten sie inzwischen alles von ihm. Von der Blutgruppe über den nächsten Ölwechsel seines an der Varus-Statue in Haltern geparkten Dienstwagens bis zum Onlineprotokoll und der bei seinen letzten Küssen getauschten DNA.

Noch fand er anregend, dass er sich inzwischen selbst wie ein Agent bewegte. Wie auf dem Sprung bewegte er sich durch Kneipen, die er in der Altstadt kannte. Um noch ein bisschen römisches Flair zu schmecken, streifte er durch die Ausgrabungen in der Kölner Innenstadt. Schließlich setzte er sich nicht weit vom Rheinufer entfernt in ein ziemlich verwahrlostes Internet-Café, das ihm sicher erschien. Es musste ja nicht immer Kaviar sein. Er wählte sich mit einem Fake-Namen, den er seit Jahren nicht mehr benutzt hatte, in den Server der Universität Yale ein. Der Zugang klappte noch.

Stunde um Stunde recherchierte er in den Unterlagen über die Sons of Hermann in Amerika. Er fand die Gründungsurkunden des Hilfsvereins für deutsche Einwanderer in New York aus dem Jahr 1841, dann die mehrmals veränderten Satzungen, Protokolle von Versammlungen der verschiedenen Logen, Mitgliederlisten über anderthalb Jahrhunderte und die Umwandlung in eine Versicherungsgesellschaft.

Als reiche Großloge mit den meisten Mitgliedern hatten sich die Texaner von San Antonio 1921 von den anderen Sons abgespalten. Seit 1937 war auch nicht mehr Deutsch die Pflichtsprache bei den geschlossenen Versammlungen, sondern Englisch. All das war weder geheimnisvoll noch verdächtig. Es gab Unmengen von Vereinigungen in den USA, die sich als Söhne von irgendetwas bezeichneten – von harmlosen Gesangsvereinen bis zu fanatischen religiösen Sekten.

Und dann stutzte er plötzlich.

Mit einer Satzungsänderung war vor fast hundert Jahren beschlossen worden, dass die texanischen Sons of Hermann nicht mehr auf ihre nationale und politische Herkunft bauen wollten.

»Sieh an«, murmelte er, »die Söhne haben die Verbindung zu den Vätern gekappt.« Konnte es sein, dass nicht alle Logen in den USA mit dieser Abnabelung der Texaner einverstanden gewesen waren? Dass irgendjemand alte Ideologien wieder anheizen wollte? Oder Hinweise auf eigentlich längst begrabene Geheimnisse aus den Gründerjahren der Organisation gefunden hatte?

War es das, was Hopmann entdeckt hatte? Und was bedeutete die Bandel-Verbindung zwischen Detmold und Rom? Vor fast zweihundert Jahren und jetzt durch Claudia wieder neu …

Eher unbeabsichtigt rutschte Thomas Vesting beim Googeln auf Angaben zum Bau des Hermannsdenkmals. Den knapp siebenundzwanzig Meter hohen tempelartigen Sockel hatte Ernst von Bandel zum Teil mit eigenem Geld bezahlt. Er war zur selben Zeit fertig geworden, in der sich in New York die Sons of Hermann gegründet hatten. Zu diesem Zeitpunkt hatte Bandel bereits viertausend Taler mehr ausgegeben, als er eigentlich besaß.

Thomas Vesting schob die Unterlippe vor. Warum war dieser Mann so überzeugt davon gewesen, dass er sein



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