Die Toten von Rialto by Maiwald Stefan

Die Toten von Rialto by Maiwald Stefan

Autor:Maiwald, Stefan [Maiwald, Stefan]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: hist. Roman
Herausgeber: dtv
veröffentlicht: 2019-02-27T23:00:00+00:00


Kapitel 22

Die Schlacht

Die Fahrt ging an der Südspitze Korfus und den Inseln Paxos und Antipaxos vorbei, und schließlich kam Kefalonia in Sicht. Die Flotte steuerte in den schmalen Kanal zwischen Kefalonia und Ithaka und ankerte im Pilgerhafen Fiskardo. Kundschafter übermittelten, dass die türkischen Galeeren noch immer in Lepanto seien.

Am nächsten Tag herrschte Sturm, und die Armada schaffte es nicht, das offene Meer zu erreichen. Erst am Abend des 6. Oktober flaute der Wind ab, und die Flotte setzte sich erneut in Marsch. Die vielen Inseln und Riffe machten die Navigation schwierig, dennoch blieb die Heilige Liga ohne Verluste. Die Schiffe passierten die Mündung des Flusses Aspropotamo und fuhren durch den schmalen Kanal zwischen der Insel Oxia und dem Kap Skropha in den Golf von Patras hinein. Die Vorhut unter dem Befehl Gianandrea Dorias fuhr an der Spitze, wie es die vereinbarte Schlachtordnung vorsah.

»Segel, Segel!«, erscholl am nächsten Morgen, dem 7. Oktober 1571, der Ruf vom Mastkorb der Real. Die Soldaten rannten nach vorn zum Bug. Zuerst tauchte ein einzelnes Segel auf, dann zwei, dann ein Dutzend, und bald war der Horizont ein milchiges Weiß. Die Spione hatten fünfzig bis sechzig Galeeren gemeldet – doch nun zählte man über einhundert, dann einhundertfünfzig, dann zweihundert. Der Sieg, mit dem jeder an Bord gerechnet hatte, schien nun nicht mehr so sicher.

Doch auch die Osmanen waren über die Größe der christlichen Flotte entsetzt. Denn der Korsar Kara-Khodja, der sich als Fischer verkleidet und im Hafen von Igoumenitsa die Schiffe der Ligaflotte gezählt hatte, hatte viele Schiffe übersehen und eine viel zu geringe Zahl an den osmanischen Befehlshaber Ali Pascha gemeldet – jenen Mann, der zuvor Marcantonio Bragadin, den venezianischen Kommandanten Zyperns, aufs Entsetzlichste gefoltert und getötet hatte. Auch einige christliche Soldaten, die man beim Wasserholen gefangen genommen hatte, hatten die niedrige Zahl bestätigt, vielleicht aus Unwissenheit heraus oder aus Schläue.

Es bestand kein Zweifel: Rein zahlenmäßig war die Flotte der Türken eindeutig überlegen. Die Christen zählten mindestens zweihundertvierzig türkische Galeeren, dazu kamen viele kleinere und mittlere Fahrzeuge wie Transport- und Kurierschiffe und Schaluppen. Vermutlich verfügten die Türken auch über weit mehr Soldaten. Zudem waren sie in einer günstigeren Situation als die Christen. Im Fall einer Niederlage konnten sie sich unter die Kastelle und Batterien des stark befestigten Lepanto zurückziehen – für die Christen würde eine Niederlage so fern der Heimat die totale Katastrophe bedeuten. Sie besaßen keine befestigten Stützpunkte in der Nähe, und das Inselmeer, durch das der Weg zurück in die Heimat führte, würde einen geordneten Rückzug unmöglich machen und die schnelleren und ortskundigeren Verfolger begünstigen.

Es war so, wie es Miguel gegenüber Don Juan bereits formuliert hatte: Eine Niederlage war schlicht keine Option. Die Küsten Spaniens und Italiens wären in den nächsten Jahren einer türkischen Invasion schutzlos preisgegeben. Über viele Jahrzehnte hinweg würden die Osmanen das Mittelmeer bis an die Küsten Spaniens beherrschen.

Die Befehlshaber fanden sich zu einem letzten Kriegsrat auf der Real ein. Don Juan besaß ja die eindeutige Weisung, in die Schlacht nur dann einzutreten, wenn der Sieg so gut wie sicher wäre.



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