Die Stunde der Schwestern by Katja Maybach

Die Stunde der Schwestern by Katja Maybach

Autor:Katja Maybach
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 978-3-426-41186-5
Herausgeber: Knaur eBook
veröffentlicht: 2012-12-23T16:00:00+00:00


Dieses Ding, dang, dong hatte sie noch im Ohr. Aber einmal, da klang es so unheimlich, oder hatte sie das nur geträumt?

Wieder erinnerte sie sich schemenhaft an einen dunklen Abend. Ihre Mutter rannte über die Place de la Victoire und zerrte sie an der Hand hinter sich her. Bérénice war barfuß, und es war so kalt, dass ihre Füße schmerzten und brannten. Aber sie musste noch sehr klein gewesen sein. Später hatte sie erfahren, dass sie nach diesem Abend sehr lange krank gewesen war. Danach wohnten sie in dem Haus in der Rue Boursicault, und sie durfte nicht mehr zurück zu ihrem Vater in das Apothekerhaus. Bérénice überlegte. Sie war damals schon in den Kindergarten gegangen, also musste sie vier Jahre alt gewesen sein.

»Dein Vater ist böse«, hatte Denise ihrer kleinen Tochter stets eingeschärft. »Er liebt uns nicht, glaube mir!«

Jeden Tag brachte Denise Bérénice zur Schule und holte sie auch wieder ab, während sich die anderen Kinder längst alleine auf den Weg machen durften. Für Bérénice war diese Fürsorge ihrer Mutter peinlich gewesen, erst als sie aufs Gymnasium ging und mit dem Schulbus fuhr, ließ die Überwachung allmählich nach. Doch das Feindbild »Dein Vater ist böse« hielt Denise aufrecht. Und irgendwann hatte sich Bérénice daran gewöhnt, nur eine Mutter, aber keinen Vater zu haben. Manchmal aber hatte sie gespürt, dass Etienne sie beobachtete, dass er sie verfolgte, wenn sie als junges Mädchen aus der Schule kam.

»Willst du Hippolyte treffen?« Da Bérénice in Gedanken versunken schien, lenkte Denise das Gespräch rasch auf die Gegenwart. Wieder drehte sie Bérénice den Rücken zu und holte einen Becher aus dem Hängeschrank über der Spüle. Während sie sich Kaffee einschenkte, sprach sie schnell weiter: »Aber ich warne dich. An deiner Stelle würde ich das nicht tun. Diese Deutsche wohnt mit ihrem Hund bei ihm, obwohl ihr beide noch nicht geschieden seid.«

»Das spielt keine Rolle.« Bérénice verteidigte ihren Mann und wollte nicht zugeben, wie tief es sie traf.

Denise trank ihren Kaffee in langsamen Schlucken aus und stellte den Becher in die Spüle. »Ich muss jetzt weiterarbeiten«, erklärte sie. »Meine Kundin holt die Bluse heute Abend ab. Wenn du was brauchst, sag es mir.«

Sie verließ die Küche und signalisierte damit, dass das Gespräch beendet war. Bérénice erhob sich und folgte ihr. Tief in Gedanken beobachtete sie Denise, wie sie die Treppe hinunterstieg, mit dem gesunden Bein voran, das steife zog sie von Stufe zu Stufe nach. Bérénice ging in die Küche zurück, spülte das Geschirr ab und strich die Krümel von der fleckigen Tischdecke. Dann wandte sie sich zum Bad, dessen Tür angelehnt war. Sie ging aber nicht auf, ohne dass Bérénice energisch dagegendrückte. Der Anblick, der sich ihr bot, entsetzte sie. Auch hier lagerten Stoffrollen, in der Badewanne stapelten sich Schachteln mit Knöpfen und Nähseiden, und nur das Waschbecken war frei. Kopfschüttelnd verharrte Bérénice einen Moment und ging zur Treppe. Direkt daneben lag auf dem Boden ein hoher Stapel alter Modehefte. Offenbar räumte Denise hier ständig um, doch wegwerfen konnte sie nichts. Aber wie schaffte sie



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