Die schönsten Weihnachtsgeschichten by Dammel Gesine

Die schönsten Weihnachtsgeschichten by Dammel Gesine

Autor:Dammel, Gesine [Dammel, Gesine]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Insel Verlag
veröffentlicht: 2015-05-17T16:00:00+00:00


Friedrich Daniel Ernst Schleiermacher

Besuch einer Christmette

Zu Hause waren dem fröhlichen Feste allerlei trübselige Umstände vorhergegangen, die sich nur kurz zuvor ziemlich glücklich aufgelöset hatten. Es war daher weniger und bei weitem nicht mit so viel Liebe und Fleiß als gewöhnlich für die Freude der Kinder gesorgt worden. Dies war eine günstige Veranlassung, um einen Wunsch zu befriedigen, den ich schon ein Jahr früher, aber vergeblich, geäußert hatte. Damals nämlich wurden noch in den späten Abendstunden die sogenannten Christmetten gehalten und bis gegen Mitternacht unter abwechselnden Gesängen und Reden vor einer unsteten und nicht eben andächtigen Versammlung fortgesetzt. Nach einigen Bedenklichkeiten durfte ich wohlbegleitet mit dem Kammermädchen der Mutter zur Kirche fahren. Ich weiß mich nicht leicht einer so gelinden Witterung um diese Zeit zu erinnern als damals. Der Himmel war klar und doch der Abend fast lau. In der Gegend des fast schon verlöschenden Christmarktes trieben sich große Scharen von Knaben umher mit den letzten Pfeifen, Piepvögeln und Schnurren, die um einen wohlfeilen Preis losgeschlagen wurden, und liefen lärmend auf den Wegen zu den verschiedenen Kirchen hin und her. Erst ganz in der Nähe vernahm man die Orgel und wenige unordentlich begleitende Stimmen von Kindern und Alten. Ohnerachtet eines ziemlichen Aufwandes von Lampen und Kerzen, wollten doch die dunklen altersgrauen Pfeiler und Wände nicht hell werden, und ich konnte nur mit Mühe einzelne Gestalten herausfinden, die nichts Erfreuliches hatten. Noch weniger konnte mir der Geistliche mit seiner quäkenden Stimme einige Teilnahme einflößen; und ich wollte eben ganz unbefriedigt meine Begleiterin bitten zurückzukehren, und sah mich nur noch einmal überall um. Da erblickte ich in einem offnen Stuhl, unter einem schönen alten Monument, eine Frau mit einem kleinen Kinde auf ihrem Schoß. Sie schien des Predigers, des Gesanges und alles um sie her wenig zu achten, sondern nur in ihren eigenen Gedanken tief versenkt zu sein, und ihre Augen waren unverwandt auf das Kind gerichtet. Es zog mich unwiderstehlich zu ihr, und meine Begleiterin mußte mich hinführen. Hier hatte ich nun auf einmal das Heiligtum gefunden, das ich so lange vergeblich gesucht. Ich stand vor der edelsten Bildung, die ich je gesehn. Einfach gekleidet war die Frau, ihr vornehmer, großer Anstand machte den offnen Stuhl zu einer verschlossenen Kapelle; niemand hielt sich in der Nähe und dennoch schien sie auch mich nicht zu bemerken, da ich dicht vor ihr stand. Ihre Miene schien mir bald lächelnd, bald schwermütig, ihr Atem bald freudig zitternd, bald frohe Seufzer schwer unterdrückend, aber das Bleibende von dem allem war freundliche Ruhe, liebende Andacht, und herrlich strahlte diese aus dem großen schwarzen, niedergesenkten Auge, das mir die Wimpern ganz verdeckt hätten, wenn ich etwas größer gewesen wäre. So schien mir auch das Kind ungemein lieblich, es regte sich lebendig, aber still und schien mir in einem halb unbewußten Gespräch von Liebe und Sehnsucht mit der Mutter begriffen. Nun hatte ich lebendige Gestalten zu den schönen Bildern von Maria und dem Kinde; und ich vertiefte mich so in diese Phantasie, daß ich halb unwillkürlich das Gewand der



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