Die Nacht nach Betti Hagen. Erzählungen by Gerrit Bekker

Die Nacht nach Betti Hagen. Erzählungen by Gerrit Bekker

Autor:Gerrit Bekker [Bekker, Gerrit]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783105606773
Herausgeber: FISCHER E-Books
veröffentlicht: 2015-12-26T16:00:00+00:00


Ich zeichnete die Steine noch einmal.

Er war zufrieden.

Sonnabend rief er mich an, er müsse ein bißchen lichten, die Tannen stünden zu dicht, und als ich kam, schlugen wir armdicke Tannen aus, und eine, die auch zurückgeblieben war, aber nur weil die anderen zu dicht standen, ansonsten schön im Gleichmaß, ließen wir stehen, und er sagte: »Die nehmen wir Weihnachten.« Ich schleppte die abgeschlagenen ans Haus, fühlte die Nadeln eng am Stamm, und wo ein Ast gebrochen war, klebte es und roch wie in der Malerwerkstatt, und ich dachte an den Sommer, über die Hügel mit der Feldstaffelei und sich mit weichem Schwung dem Kamm der Kuppe geben. Das Wäldchen, der dichte Raps und das silberne Tosen am Feld. Der Einschlag des Wetters.

Er schlug mit dem Beil die Äste ab, den Stamm an die Mauer gelehnt.

»Sie auch mal?« fragte er.

Der glatte Schnitt, wenn der Stahl sauste und das Holz fiel wie vom Luftzug getrennt, durch Rinde und Mark, und am Boden die gefallenen Äste. Und die kahlen, tränenden Stämme rollten wir übereinander, bis die Hände brannten, und faßte man in den Staub, blieben schwarze Flecken.

Seine Frau hatte Gulasch gemacht. Das Fleisch in gleich große Stücke geschnitten, von Fett und Sehne befreit.

»Nehmen Sie doch nur«, sagte er. »Greifen Sie zu!«

Und seine Frau: »Noch Sauce?«

Er erzählte, daß sein Vater ein geachteter Kaufmann gewesen sei, bekannt in Dresden, und seine Mutter die Tochter eines Arztes aus Wien, und von der Beschaulichkeit österreichischer Lebensart und dem geblätterten Charme der Hauptstadt, und daß in Schleswig-Holstein das Kalte den Leuten dicke Pullover aufzwinge, auch eben, die Ellenbogen eng am Körper zu haben vom Frost, und lachte. Und daß der Nebel den Menschen vereinzelt mache. Aber ein Trachtenjanker aus der Steiermark ließe sich immer tragen, zur Beerdigung oder zur Hochzeit, und er erzählte, er habe immer einen gesucht, der jung und verständig, und daß er das Grafische abgeben wolle, Texte ja, aber ansonsten der Ausbau des Hauses, das wolle geplant sein, darin habe man zu leben. Er könne sich vorstellen, daß ich irgendwann die Gestaltung machte und er hin und wieder einen Blick darauf geworfen und mir nur noch die Texte zugeliefert.

Im Fernsehen war Tennis, und er machte mich auf eine beidhändige Rückhand aufmerksam und auf überrissene Lobs.

Und ich erzählte ihm von meinen Lehrern, wie Gottfried Bockmann in ein Stilleben hineingegangen war, es aus schmalen Augen angesehen und gesagt hatte: »Hier diese Stelle, da braucht er noch was«, den Mund zur Seite gezerrt, die Zähne frei, und wie ich mitangesehen hatte, wie unter seiner Borste das Bild eine andere Wendung nahm, daß ich’s, als ich es wiederbekam, kaum noch erkannte.

Als er mich am Abend nach Hause fuhr, fragte ich ihn nach Geld, und er sagte: »Monatsende, Monatsende, junger Mann, dann ist Zahltag.«

Er schwieg, und dann sagte er noch: »Die Fahrten sind auch zu berechnen. Ich bin ja praktisch Ihr Kutscher, wissen Sie, was meine Stunde kostet?«



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