Die Gesetze der Schwerkraft by Liz Rosenberg

Die Gesetze der Schwerkraft by Liz Rosenberg

Autor:Liz Rosenberg [Rosenberg, Liz]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Belletristik
veröffentlicht: 2014-10-31T04:00:00+00:00


Flannery gab sich weniger subtil. »Warum nur? Warum? Sie haben die Aufmerksamkeit und Anerkennung verdient«, sagte er. »Und wir anderen alle auch. Wir arbeiten im Verborgenen. Gesichtslos. All die Schriftsätze, die Rationes Decidendi, die sorgfältig ausgearbeiteten und niedergeschriebenen Urteilsbegründungen – kein Mensch liest das. Nicht ein Wort. Man könnte genauso gut Steine in einen Brunnen werfen. Es sei denn, die Medien machen die Öffentlichkeit auf so einen Fall aufmerksam. Natürlich würde ein Verfahren mit einer Jury noch mehr Aufmerksamkeit erregen, aber selbst so …«

»Ich bin nicht auf Aufmerksamkeit aus«, erklärte der Richter eisig.

»Genau«, schloss sich Myra an. »Wissen Sie, wie das wäre, wenn die Presse uns hier tagein, tagaus am Arsch kleben würde? Verzeihen Sie meine Ausdrucksweise«, fügte sie hinzu.

»Es wäre belebend!«, erklärte Flannery. »Lebendig.« Er plädierte an Myra gewandt: »Sagen Sie, würden Sie Ihr Gesicht denn nicht gern mal im Fernsehen sehen?«

»Flannery«, antwortete Myra, »ich sehe mein Gesicht noch nicht mal gern im Spiegel.«

Dass den Medien der Zugang zum Gericht verwehrt war, entzog den Fall nicht ganz ihrer Aufmerksamkeit. Die Lokalzeitungen kommentierten immer wieder Justice Richters fortgeschrittenes Alter: Er hätte, schrieben sie, eigentlich im Dezember in den Ruhestand gehen sollen und habe die Presse von diesem wichtigen Fall ausgeschlossen, um seine Überforderung zu kaschieren. Sie versuchten, die Story, die an die Emotionen appellierte und zu der jeder eine Meinung haben konnte, nach Kräften zu melken. Die Fotos zeigten Nicole entweder als junge Schönheit oder als elendes Klappergestell, sodass man sich wunderte, dass sie überhaupt noch lebte. Von Ari Wiesenthal war jedes Mal dasselbe Foto zu sehen, ein Bild, auf dem er die Zähne zu fletschen schien. Es gab viele attraktive Aufnahmen von Katrina Turock und ein oder zwei Minifotos von Sol selbst, auf denen er alt und hinfällig wirkte. »So siehst du nicht aus«, versicherte Sarah ihrem Mann. »Nicht mal morgens gleich nach dem Aufstehen.«

»Die Hunde bellen, aber die Karawane zieht weiter«, sagte Sol. Eitelkeit, Eitelkeit, alles das ist Eitelkeit, mahnte er sich. Er hatte sich immer allein dem Gesetz verpflichtet gefühlt, hatte sich immer bemüht, ein möglichst kundiger und unvoreingenommener Richter zu sein. Dieser Fall war sein letzter und gleichzeitig der schlimmste. Er träumte davon, brütete darüber, fühlte sich ihm gegenüber hilflos. Die Logik, sein Standpunkt in der Rechtsphilosophie und die Präzedenzfälle wiesen in die eine Richtung und nur in diese. Das wusste er, sein Gerichtssekretär Flannery wusste es, und manchmal hatte er den Verdacht, dass jeder, der mit dem Fall zu tun hatte, es wusste. Aber dennoch fühlte er sich in eine ganze andere Richtung gezogen. Da war der Impuls, der Frau zu Hilfe zu kommen. Das war unbegreiflich in seinem Alter. Ein Rätsel. Und die unheimliche Ähnlichkeit zwischen der Klägerin und seiner eigenen rothaarigen Tochter war auch nicht gerade hilfreich. Selbst ihr Nachname Greene erinnerte ihn an seinen längst verstorbenen Großvater, den einarmigen Schneider Nathan Greenplotz.

»Gibt es irgendetwas, was ihre Klage auch nur im Geringsten aussichtsreich macht?«, fragte er seinen Abteilungsjuristen Ned unter vier Augen. Ned war jung, aber intelligent und eifrig. Natürlich tauchte genau in



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