027a - Mathias Sandorf 1 by Jules Verne

027a - Mathias Sandorf 1 by Jules Verne

Autor:Jules Verne [Verne, Jules]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2014-09-26T04:00:00+00:00


Ein mächtiger Blitzstrahl hüllte sie beide ein.

Sobald der letzte Donner verhallt war, konnten sie sich verständigen.

»Wo bleibt Ladislaus?« fragte Sandorf.

»Er wird in einer Minute hier sein«, erwiderte Stephan Bathory.

»Steht es oben schlimm?«

»Durchaus nicht.«

»Schön! Ich werde also Ladislaus Platz machen, und du, Stephan, wirst hier warten, bis er dich erreicht.«

» Einverstanden.«

Ein mächtiger Blitzstrahl hüllte sie für einen Augenblick ein. Da das durch das Kabel laufende Fluidum bis in ihre innersten Nerven gedrungen war, so glaubten sie sich halb zerschmettert.

»Mathias, Mathias!« schrie Stephan Bathory unter dem Eindrucke eines Schreckens, dessen er nicht Herr werden konnte.

»Kaltes Blut! Ich steige hinab! Folge mir dann!« antwortete Graf Sandorf.

Und schon hatte er den Draht fester gefaßt, in der Absicht, bis zu der nächsten, tiefer gelegenen Klammer hinunter zu steigen, dort wieder festen Fuß zu fassen und seinen Genossen zu erwarten.

Da plötzlich ließen sich von der Höhe des Wartturmes herab wirre Rufe vernehmen. Sie schienen aus dem Fenster der Zelle zu dringen. Dann tönten deutlich zu ihnen die Worte herab:

»Rettet euch!«

Es war die Stimme Ladislaus Zathmars.

Fast gleichzeitig zuckte ein greller Feuerstrahl aus der Mauer hervor, gefolgt von einem echolosen, scharfen Knall. Das war nicht die gezackte Linie eines Blitzes, was da das Dunkel teilte, das war nicht das Krachen des Donners, was da die Luft durchhallte. Ein Flintenschuß war aufs Geratewohl, wie man annehmen mußte, aus einer Schießscharte des Turmes abgegeben worden. Mochte er nun ein Signal für die Wächter bedeuten oder war den Flüchtlingen eine Kugel nachgeschickt worden, gleichviel – die Flucht war entdeckt.

Der Posten auf dem Flur hatte in der Tat ein verdächtiges Geräusch gehört, er hatte Hilfe herbeigerufen und war mit fünf oder sechs Aufsehern in die Zelle gedrungen. Das Fehlen von zwei Gefangenen war natürlich sofort bemerkt worden. Der Zustand des Fensters machte deutlich, wo entlang sie ihren Weg genommen hatten. Ladislaus Zathmar hatte sich, ehe man ihn zurückzuhalten vermochte, noch schnell aus der Fensteröffnung herausgebeugt und den Freunden die warnenden Worte zugerufen.

»Der Unglückliche!« rief Stephan Bathory. »Sollen wir ihn verlassen, Mathias, sollen wir ihn verlassen?«

Ein zweiter Schuß wurde abgefeuert; diesmal mischte sich sein Knall mit dem Grollen des Donners.

»Gott erbarme sich seiner!« antwortete Graf Sandorf. »Wir müssen fort, und wäre es auch nur, um ihn zu rächen. Komm, Stephan, komm!«

Es war die höchste Zeit. Andere Fenster in den unteren Stockwerken des Turmes wurden geöffnet. Abermals entluden sich einige Gewehre. Man hörte auch lautes Stimmengewirr. Vielleicht schnitten gar die Aufseher dadurch, daß sie auf der unteren Mauerbank des Turmes herbeikamen, den Flüchtigen den Weg ab. Vielleicht wurden diese auch schon von den Kugeln getroffen, die ihnen von anderen Teilen des Turmes aus nachgesendet wurden.

»Komm!« schrie Mathias Sandorf noch einmal.

Und er ließ sich schnell an dem Kabel weiter herab; Stephan Bathory folgte ihm sofort nach.

Beide bemerkten jetzt, daß dasselbe unbefestigt in der Leere unterhalb des Mauerkranzes einherschwankte. Stützpunkte, Wandklammern, die ein Ausruhen und Atemholen ermöglichten, waren nicht mehr vorhanden. Beide waren nun dem Schlenkern dieser losen Kette preisgegeben, welche ihnen in die Hände schnitt. Sie kletterten weiter mit fest angeschlossenen Knien, ohne sich halten zu können, während die Kugeln ihnen um die Ohren pfiffen.



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