Die Erleuchtete - Das Dunkel der Seele by Aimee Agresti

Die Erleuchtete - Das Dunkel der Seele by Aimee Agresti

Autor:Aimee Agresti
Die sprache: deu
Format: azw3, mobi, epub
Herausgeber: E-Books der Verlagsgruppe Random House GmbH
veröffentlicht: 2013-09-21T22:00:00+00:00


19

GIB MIR DOCH BITTE DEINE SEELE

Ich versuchte es noch einmal bei Aurelias Büro. Dieses Mal bat sie mich beim ersten Klopfen herein.

»Guten Morgen, Aurelia«, grüßte ich sie auf dem Weg zu dem Stuhl, auf dem noch vor wenigen Stunden der Fürst gesessen hatte. Die Kamera behielt ich auf dem Schoß.

»Hier hast du die heutige Liste mit den Empfängern unseres kleinen Präsents.« Meine Chefin reichte mir ein Blatt Papier. Ihre Hand zitterte, und sie wandte für einen Moment den Blick ab. Normalerweise schaute sie doch so stechend drein wie eine Lupe, die an einem Sonnentag eine Ameise versengte.

»Danke.« Ich griff nach der Liste und stellte fest, dass darauf nur ein paar Namen standen und nicht so eine lange Reihe wie am Vortag.

»Wenn du möchtest, kannst du Lance diese Aufgabe übertragen.«

»Danke.«

Während sie die Papiere auf ihrem Schreibtisch durchsah, betrachtete ich die Wand hinter ihr. Auf dem Flachbildschirm leuchtete das animierte LH-Logo. Die Höhe des Monitors ließ mich vermuten, dass sich meine Gucklöcher mittig direkt darüber befanden – dort meinte ich einen Schatten auszumachen, eine Vertiefung im Design des Rahmens, der den Bildschirm umgab. Wenn das die Stelle war, dann konnte dort wohl kaum jemand ein Augenpaar entdecken, so klein wie sie war. Aurelia fand offensichtlich nicht, wonach sie suchte, und gab es auf.

»Ich habe später noch eine Aufgabe für dich, aber ich muss dazu noch das Material zusammentragen.« In ihrer Stimme fehlte heute etwas von der Lebenskraft und Autorität, die sie sonst ausstrahlte. So nervös hatte ich die Hotelchefin noch nie gesehen. Die ersten Risse in der Fassade, die ich gestern entdeckt hatte, schienen ihr aufs Gemüt zu schlagen. »Es geht um ein Projekt zur Öffentlichkeitsarbeit, wir werden die Abschlussbälle einiger Highschools aus der Gegend bei uns ausrichten. Deine Schule ist auch darunter.«

»Oh wow.« Ich war eher schockiert als begeistert und fragte mich, ob man mir das wohl anmerkte. Dieses Praktikum hatte mir zum Teil deshalb so gut gefallen, weil ich damit dem ganzen Theater um den Abschlussball und den Aktivitäten zum Ende des Schuljahrs entfliehen konnte und mich nicht wie ein Loser fühlen musste, weil ich sie verpasste – und auch nie groß Interesse daran gehabt hatte. Aber jetzt wurde ich bis hierher verfolgt. »Ich, äh, ich freue mich schon darauf.«

»Noch brauchst du dich auf gar nichts zu freuen. Das steht ja alles erst im Mai an. Deshalb reicht es sicher auch, wenn du dich ab morgen darum kümmerst. Ich gebe dir nachher die entsprechenden Informationen.« Sie trommelte wieder mit den Fingern auf dem Schreibtisch herum und sah mich an, als wollte sie mich jetzt rauswerfen. »Danke.«

Ich nickte und stand auf, aber dann fiel es mir wieder ein: »Oh, und … ich glaube, meine Schlüsselkarte funktioniert nicht. Ich habe versucht …«

»Die Galerie ist heute geschlossen.«

»Für das Publikum geschlossen?«

»Ja.«

»Aber … für mich auch?«

»Vorläufig schon. Versuch es in etwa einer Stunde noch einmal. Wir nehmen einige Reparaturen vor, und dann kannst du wieder in dein Büro, die Gäste bleiben aber weiter draußen«, erklärte sie mit ihrer üblichen scharfen Autorität, mit der sie Glas hätte schneiden können.



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