Die Ehe des Dr. Jorg by Marie Louise Fischer

Die Ehe des Dr. Jorg by Marie Louise Fischer

Autor:Marie Louise Fischer [Fischer, Marie Louise]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: SAGA Egmont
veröffentlicht: 2017-04-20T00:00:00+00:00


* * *

Als Dr. Richard Jorg die Maximilianstraße hinuntersteuerte, bemerkte er schon im Vorbeifahren, daß das Schaufenster der Boutique zwar noch erleuchtet war, der Ladenraum aber im Dunkeln lag.

Er war enttäuscht, aber nicht allzusehr. Er hatte den Zwischenfall mit Lola immer noch nicht überwunden, und er war im Grunde erleichtert, die Begegnung mit seiner Frau noch etwas hinausschieben zu können. Die lange Fahrt nach Baldham hinaus würde ihm, wie er hoffte, Gelegenheit geben, sein seelisches Gleichgewicht wiederzufinden.

Nie mehr, schwor er sich, nie mehr würde er sich mit einem zweifelhaften Mädchen einlassen! Nie mehr würde er auch nur einer Einladung Olga Krügers folgen! Nie mehr allein in ein Lokal gehen und trinken!

Er hatte genug davon, bis zum Halse genug, er hatte sich selber beschmutzt und erniedrigt, er hatte Schlimmeres getan als Inge betrogen – er hatte sich im Dreck gewälzt und jedes Recht auf die Liebe seiner Frau verloren.

Aber das war jetzt aus und vorbei. Es würde nie mehr Vorkommen, nie mehr, nie mehr!

Unwillkürlich drückte er tiefer auf den Gashebel. Er sehnte sich nach Inge, ihrer glasklaren Sauberkeit, ihrer reinen Leidenschaft, ihrer warmen Zärtlichkeit. Ihr helles Gesicht mit den übergroßen, weit auseinanderstehenden braunen Augen tauchte wie eine Vision in der Dunkelheit vor ihm auf.

Inge! Sie würde ihn ohne Fragen und ohne Vorwürfe in die Arme schließen und ihn alles Böse, das er selber begangen hatte, vergessen lassen, Inge, seine Inge!

Aber als Dr. Richard Jorg sein Auto vor dem kleinen Haus in Baldham bremste, sah er, daß kein Licht durch die Vorhänge schimmerte. Sonderbar, daß sie schon zu Bett gegangen sein sollte!

Dr. Jorg fuhr den Wagen in die Garage, schritt dann erst die wenigen Stufen zur Haustür hinauf. Kalte Angst umklammerte sein Herz, eine Angst, der er selber keinen Namen geben konnte.

Er wollte gerade den Schlüssel ins Schloß stecken, als er ein Auto Vorfahren hörte. Er drehte sich um, wich unwillkürlich in den Schatten des Eingangs zurück.

Im fahlen Licht des winterlichen Mondes konnte er alles, was nun geschah, wie auf dem Fernsehschirm beobachten. Die Tür des hochtourigen, langgestreckten Sportwagens wurde aufgerissen. Ein junger Mann stieg aus, kam um den Wagen herum – es war Teddy Murnau. Er war barhaupt, sein schwarzer Mantel stand offen, ließ eine blendendweiße Hemdbrust sehen, er schien im Smoking zu sein.

Er öffnete die dem Bürgersteig zugewandte Tür, half Inge aussteigen. Dicht voreinander blieben sie stehen.

Inge reichte Teddy Murnau die Hand. „Ich danke dir, Teddy“, sagte sie, „für alles!“

„Ich bin sehr froh, daß du gerade an mich gedacht hast“, antwortete er, „ist jetzt alles wieder zwischen uns in Ordnung?“

„Ja.“

„Keine Unklarheiten mehr?“

Sie lachte leise, und dieses Lachen ging Dr. Jorg durch Mark und Bein.

„Keine, Teddy“, sagte sie, „du bist wirklich ein guter Freund.“

„Und du weißt jetzt, daß du jederzeit und immer über mich verfügen kannst?“

„Lieb von dir, das zu sagen.“

Sie waren nebeneinander auf das Haus zugekommen, hatten den kleinen Vorgarten durchschritten und standen jetzt am Fuß der Treppe.

Dr. Jorg hielt es nicht länger aus. Er spürte den süßlich-metallischen Geschmack von Blut im Mund – während der letzten Minuten hatte er sich, ohne es selber zu merken, die Lippen zerbissen.



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