Die Amor-Agentur by Madl Johanna

Autor:Madl, Johanna [Madl, Johanna]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Goldmann
veröffentlicht: 2015-12-20T16:00:00+00:00

Der schaumgeborene Millionär

Moni trank einen Schluck Bier und blickte sich um. Canay stand mit zwei Kollegen am anderen Ende des Raums und unterhielt sich. Die Weihnachtsfeier ihrer Abteilung wurde wie in jedem Jahr in einer Brauereigaststätte abgehalten, es gab wie immer den traditionellen Gänsebraten mit Blaukraut und Knödeln und dazu jede Menge Bier. Miriams Wangen glühten in einem kräftigen Rot; sie vertrug keinen Alkohol und war nach einer Halben bereits deutlich angeheitert.

»Was starrst du den Canay eigentlich so an?«, fragte sie Moni und stieß sie verschmitzt in die Seite. »Du bist in ihn verknallt, was?«

War es so offensichtlich? Moni wurde rot und murmelte etwas wie »Unsinn«, was aber nicht besonders überzeugend klang. Grundsätzlich hätte sie kein Problem damit gehabt, ihrer Kollegin gegenüber ihre Gefühle für Canay einzugestehen – wenn er im Büro nicht immer auf Distanz zu ihr gehen würde. Sie wollte auf keinen Fall wie ein liebeskranker Teenager erscheinen.

Jemand näherte sich ihnen von hinten und legte Miriam beide Hände auf die Schultern, um sie zu massieren.

»Da ist aber jemand verspannt«, sagte Harald Müller in einem leicht anzüglichen Ton. Er war Anfang fünfzig und musste früher einmal recht gut ausgesehen haben. Angeblich hatte er in seiner Jugend sogar an Bodybuilder-Wettbewerben teilgenommen, inzwischen war er jedoch fett und beinahe glatzköpfig, hielt sich aber weiterhin für unwiderstehlich. Die jüngeren Kolleginnen gingen ihm aus dem Weg, weil er ihnen in Unterhaltungen ständig eine Hand auf den Rücken legte oder über den Arm streichelte.

»Das Berühren der Figüren mit den Pfoten ist verboten«, zitierte Miriam Heinz Erhardt und schüttelte Müllers Hände ab. Sie hatten ungefähr zur selben Zeit in der Firma angefangen, und es ging das Gerücht, dass sie vor Jahren einmal eine kurze Affäre gehabt hatten. Falls das stimmte, wollte sie nicht mehr daran erinnert werden.

Moni dachte an Fees Rat, mit einem anderen Mann zu flirten, um Canay eifersüchtig zu machen, und überlegte, ob er einen Harald Müller wohl als Konkurrenz empfinden würde. Einen Versuch war es vielleicht wert.

»Ich glaube, ich könnte eine Massage vertragen«, sagte sie zu ihm und lächelte ihn kokett an.

Müller schaute sie an; er war betrunken, hatte sich aber noch unter Kontrolle. Nachdem er sie ein paar Sekunden lang gemustert hatte, grinste er, drehte sich um und verschwand wieder.

»Na, du bist mir ja eine«, sagte Miriam. »Ganz schön durchtrieben …«

Moni tat so, als hätte sie sich einen Spaß erlaubt. Als sie zu Canay blickte, merkte sie, dass er zu ihr hinübersah. Immerhin interessierte es ihn offenbar, was sie tat. Auf einen Harald Müller würde Canay allerdings nie eifersüchtig sein, aber wenn sie mit einem jüngeren, besser aussehenden Mann flirtete, wäre das etwas ganz anderes. Sie schaute sich um und entdeckte Marco Nülling, der etwas abseits stand und telefonierte. Er war Mitte dreißig und erst seit einem halben Jahr in ihrer Abteilung, und mit seinen kurzen blonden Haaren und der schwarzen Hornbrille sah er auf eine intellektuelle Art sogar gut aus, ein bisschen wie ein Nachrichtensprecher.

Entschlossen, bei ihm ihr Glück zu versuchen, trank Moni ihr Bier aus und stand auf. Zum Glück beendete er gerade sein Gespräch, als sie auf ihn zukam und ihn begrüßte.

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