Die Abschaffung des Todes by Andreas Eschbach

Autor:Andreas Eschbach [Eschbach, Andreas]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Thriller/Krimi
ISBN: 9783751760904
Herausgeber: Bastei Lübbe AG, Köln
veröffentlicht: 2024-08-29T22:00:00+00:00

Kapitel 25

Fiene Vermeulen sieht aus wie die Elbin Arwen aus dem »Herr-der-Ringe«-Film, nur in blond und natürlich ohne die spitzen Ohren: Kein Wunder also, dass die meisten männlichen Mitglieder unseres Redaktionsteams immer ein bisschen nervös werden, wenn sie in der Nähe ist.

Entsprechend aufgekratzt war die Stimmung, als wir uns in ihrem schalldichten Büro drängelten, dessen imposante Telefonanlage aussieht wie der Kommandostand eines kriegführenden Generals. Aber wir taten so, als liege das nur an dem, was wir gleich zu hören kriegen würden.

So, wie Fiene schmunzelte, als sie den Abspielknopf drückte, glaube ich nicht, dass sie uns das auch nur eine Sekunde lang abgekauft hat.

Die Aufzeichnung von Telefongesprächen ist juristisch eine heikle Sache. Man darf es eigentlich nicht ohne Wissen und Zustimmung des Gesprächspartners tun, eine Zustimmung, die natürlich in vielen Fällen nur schwer bis gar nicht zu erhalten ist. Überdies ist nicht eindeutig geregelt, wie explizit diese Zustimmung sein muss. Fiene macht das oft so, dass sie am Anfang des Gesprächs fragt, ob es okay ist, wenn »jemand nachher mithört«, wobei sie es so klingen lässt, als passiere das im Moment noch nicht; theoretisch könnte sie sich dann auf ein Missverständnis herausreden. Vielleicht. Bis jetzt hat sich die Notwendigkeit nie ergeben.

Manchmal zeichnet sie ein Gespräch auch »aus Versehen« auf, ein bedauerlicher Fehler, den sie anschließend selbstverständlich korrigiert, indem sie die »irrtümliche« Aufzeichnung löscht – freilich erst, nachdem sie sie gründlich ausgewertet hat.

Um es zu vermeiden, dass wir den Bogen überspannen, habe ich die Regel aufgestellt, dass keine Gesprächsaufzeichnung Fienes Büro verlässt. Sie wird auch nicht länger aufbewahrt als unbedingt notwendig. Der Computer, mit dem sie Telefonate mitschneidet, hängt nicht am Intranet, hat keinen USB-Anschluss und keine allzu große Festplatte, sodass die Versuchung, Audiofiles aufzubewahren oder woandershin zu transportieren, gar nicht erst entstehen kann. Fiene hört ihre Gespräche in der Regel selber ab, schreibt die wesentlichen Punkte heraus, und nur dieses Dokument (das sie auf einem anderen, mit unserem Netz verbundenen Rechner verfasst) kommt dann in Umlauf und ins Archiv. Anschließend löscht sie die Aufzeichnung mit einem speziellen Programm, das die Daten wirklich unwiederbringlich plattbügelt.

Sie übersprang die erste Hälfte des Mitschnitts, in der wir nur gehört hätten, wie Fiene Solange Blanc ans Telefon bekam und, nun ja, Vertrauen aufbaute. Fiene hatte sich als Redakteurin eines niederländischen Literaturmagazins ausgegeben und behauptet, man wolle ein »etwas anderes« Porträt des Schriftstellers F. Raymond bringen, eine Formulierung, die weiten Raum ließ für alle möglichen, auch ungewöhnlichen Fragen.

Fiene stieg an einer Stelle in die Aufzeichnung ein, an der sie gerade fragte: »Sie unterrichten an der Universität von Montpellier, stimmt das?«

»Ja«, sagte die ruhige, dunkle Stimme einer gelassen klingenden Frau. »Neurowissenschaften. Meine Studenten kommen vor allem aus den Bereichen Biologie und Medizin.«

»In den Romanen Ihres Mannes spielen oft Erfindungen eine Rolle, die in irgendeiner Form mit dem Gehirn oder dem Nervensystem zu tun haben. Denken Sie, dass Sie ihn dazu inspiriert haben?«

»Selbstverständlich. Als wir noch verheiratet waren, haben wir oft Studenten zu uns eingeladen, und beim Essen wurde natürlich viel über offene Fragen in diesem Bereich diskutiert. Davon gibt es ja reichlich, da ist uns der Stoff nie ausgegangen.

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