Der Weg zurück. Roman by Enrico Palandri

Der Weg zurück. Roman by Enrico Palandri

Autor:Enrico Palandri [Palandri, Enrico]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783105615225
Herausgeber: FISCHER Digital
veröffentlicht: 0101-01-01T00:00:00+00:00


oder

Einmal werde ich es wagen

In dein Gemach will ich kommen

Und in seiner Phantasie fliehen sie beide auf einem Segelschiff über das Meer oder in einem Sportwagen über das Gebirge oder auch zu Pferde, als Araber verkleidet durch die Sahara. Wie gerne wäre er ein Mann, um sie vor allen Gefahren der Welt zu beschützen und vor allem, was sie trennen könnte! Seine Beine möchten ihn davontragen, in ihr Zimmer. Aber der Bart wächst noch nicht, und er ist im Stimmbruch. Er weiß, sie heißt Nerina, die kleine Schwarze, so wie ihre Haare und ihre Augen. Er hat ihren Namen gehört, als sie einmal mit seiner Mutter sprach und einmal mit einem Mann vor der Eingangstür. Wenn er nachts nicht schlafen kann, möchte er sich am liebsten umbringen, weil sie ihm so sehr fehlt. Er quält sich bis zum Morgengrauen, lauscht in die Dunkelheit und glaubt, nie mehr schlafen zu können. Selbst wenn er einmal meint, nicht an sie zu denken, erinnern ihn die nackten Waden, die aus seinen Hosenbeinen hervorlugen, an diese Wolfsstimme in ihm. Er möchte die Beute erlegen und läuft gepeinigt durch die Wohnung, öffnet den Kühlschrank, setzt sich aufs Bett, steht wieder auf. Bis schließlich aus der Wohnung der Angelis durch den Modergeruch des Treppenhauses ihre Stimme wieder zu ihm dringt, in den Dämmerzustand seines Gemüts. Wie klopft sein Herz, wenn von der Leine im fünften Stock ein Socken in den Hof fällt und er ihn dann zu ihr hinaufbringt! Was malt er sich nicht alles aus. Wie viele Möglichkeiten und Pläne gehen ihm durch den Kopf, während er die Treppen hochläuft … Vielleicht wird sie die Tür öffnen und ihm sagen, daß sie ihn liebt, ihn umarmen, auf die Koffer zeigen, die schon gepackt im Eingang stehen, und ihn atemlos fragen: Wo ist das Segelschiff? Wo ist der Sportwagen? Wo sind die Pferde? Kann er ihr in einem solchen Augenblick den feuchten Socken des Ingenieurs Angeli überreichen? Nein, er sollte doch lieber realistisch bleiben: Mein lieber David, verzeih mir meine Offenheit, aber der Ingenieur stellt mir nach. Ich bitte dich um deinen Schutz. Und da wir nun einmal dabei sind, will ich dir sagen, daß ich nur für dich singe und immer hoffe, daß du mich hörst. Laß uns heiraten!

David klammert sich an den Socken wie an den Rand seines Segelbootes, das der Sturm zerschlagen hat, und drückt auf den Klingelknopf. Er hat den letzten Halt verloren, und die Flügel seiner Phantasie tragen ihn aufs offene Meer hinaus. Er wird sie nichts über ihre Vergangenheit fragen, wird sich nicht um die Konventionen bekümmern, er wird sie einfach bei der Hand nehmen und ihr offen sagen: Ich liebe dich, und wenn du mich nicht lieben kannst, sag es gleich, dann werde ich mich hinunterstürzen. Da öffnet sie die Tür mit einem Stoß Wäsche auf dem Arm, die Füße in Schlappen, mit ungekämmten Haaren und sagt: »Vielen Dank, Davidi. Sag deiner Mamma, ich schließ heut abend die Tür ab. Sie braucht sich nich’ drum zu kümmern, weil gestern abend mußt ich klopfen.



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