Der Tod und die Medizin by Daniel Schäfer
Autor:Daniel Schäfer
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Springer Berlin Heidelberg, Berlin, Heidelberg
Sterbehelfer
Weder werde ich aber irgendjemandem ein tödliches Gift geben, nicht einmal nachdem ich gebeten worden bin, noch werde ich einen Weg zu einem solchen Rat vorschlagen.
Eid des Hippokrates (van Hooff 2001, S. 97)
Der Schwur hippokratischer Ärzte, keinen ihrer Patienten mit Gift zu töten oder dabei zu helfen, steht am Anfang der Geschichte medizinischer Euthanasie . Er ist der wohl bekannteste und umstrittenste Satz aus der antiken Heilkunde, vielleicht sogar der ärztlichen Ethik überhaupt. Gerne instrumentalisieren ihn auch heutige Sterbehilfegegner, um historische Schützenhilfe für ihre Position zu erhalten. Dabei ist jedoch zweierlei zu bedenken: Philologisch ist keinesfalls geklärt, ob in dem fraglichen Passus Ärzte von leidenden oder gar todkranken Patienten um Sterbehilfe gebeten werden, die daraufhin verweigert werden muss. Vielmehr bleibt der Kranke im gesamten Eid passiv. An ihm wird gehandelt; von Patientenautonomie ist nichts zu spüren. Daher ist die Deutung van Hooffs (2001, S. 97 f.), dass Freunde oder gar Gegner des Kranken um Tötung bzw. Mord bitten, ebenso wahrscheinlich. Ferner gibt es historisch klare Hinweise, dass Ärzte in der Antike sehr wohl aktive Sterbehilfe oder Beihilfe zum Suizid leisteten. Letzterer war seit der Zeit des Hellenismus bis weit in das römische Kaiserreich hinein gesellschaftlich weitgehend akzeptiert. Dafür boten Mediziner und Drogenverkäufer offensichtlich Gift als „Erlösungsmittel“ an (Apolyticum , häufig auf der Basis von Opium , Schierling oder Eisenhut). Neben politischer Verfolgung waren es vor allem schwere Leidenszustände, die Menschen zu diesem Schritt bewogen (s. Quelle 3.5).
Quelle 3.5 Suizid wegen Krankheit
Bei dieser Betrachtung [der verschiedenen Krankheiten] überkommt uns Mitleid mit dem Menschenlos, da der einzelne Sterbliche, ganz abgesehen von zufälligen und sonstigen Ereignissen und zu jeder Stunde neu auftretenden [Leiden,] Tausende von Krankheiten zu fürchten hat. Zu untersuchen, welche die schwersten unter ihnen sind, könnte fast als Dummheit erscheinen, da jedem die seinige und gegenwärtige als die schrecklichste erscheint. Dennoch haben sich unsere Vorfahren auch darüber geäußert, und als schlimmste Qualen die durch Blasensteine verursachte Strangurie [Schmerzen beim Wasserlassen] bezeichnet, als nächste die des Magens und als dritte die Schmerzen im Kopfe, da man sich wegen anderer Krankheiten kaum den Tod gibt.
Plinius d. Ä ., Naturgeschichte XXV 23 (1. Jh. n. Chr.)
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