Der Sternenleser - Roman by Kate Grenville

Der Sternenleser - Roman by Kate Grenville

Autor:Kate Grenville
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: C Bertelsmann
veröffentlicht: 2011-08-23T04:00:00+00:00


Die Eingeborenen ließen sich fast eine Woche lang nicht sehen. Rooke beschäftigte sich mit Regenmesser und Barometer und machte in Schönschrift seine Notizen über den südlichen Himmelspol. Er füllte seinen Wasserkessel und sammelte Feuerholz. Doch bei allem, was er tat, hielt er stets aus den Augenwinkeln Ausschau, ob sich oben auf der Hügelkuppe etwas bewegte. Äste und die rasch dahinziehenden Schatten der Wolken narrten ihn. Ein paar Mal kam es vor, dass er sich aufrichtete und schon die Hand zum Gruß hob, dann aber feststellen musste, dass dort oben niemand war.

Als die Eingeborenen dann schließlich wiederkamen, war er fast wütend auf sie. Doch der kleine Junge hüpfte die Felsen herunter, weil er es kaum erwarten konnte, bei Rooke anzukommen, und überschüttete ihn mit einem Schwall Wörter.

Da konnte Rooke nicht länger verschnupft sein. Schließlich hatten sie ihm doch auch gar nichts versprochen!

Mit ihren Säuglingen auf der Hüfte stiegen die Frauen langsam die Felsen hinab, gefolgt von den beiden Mädchen: dem schüchternen und dem mit Namen Tagaran.

»Guten Tag!«, rief er. »Ich freue mich, Sie wiederzusehen!«

Das war eine Floskel, die er schon tausendmal ausgesprochen hatte. Dieses Mal jedoch war sie nicht einfach nur so dahergesagt, sondern wirklich so gemeint.

Die Frauen hatten einen glimmenden Holzstecken mitgebracht und machten sich daran, in der Nähe der Hütte ein Lagerfeuer zu entfachen. So gemächlich, fast selbstvergessen, wie sie sich hin und her bewegten, während sie unentwegt miteinander plauderten, war kaum vorstellbar, dass sie jemals ein Feuer in Gang bringen würden – waren die Holzstücke nicht viel zu groß, das Reisig zu weit von dem glühenden Stock entfernt? Eine der Frauen beugte sich hinunter und blies hinein – so kurz, dass Rooke dachte, es würde wirkungslos sein –, doch gleich darauf prasselte ein Feuer, und die Frauen setzten sich mit ihren Säuglingen auf dem Schoß um es herum, sanken in den Erdboden hinein, als verwurzelten sie sich darin.

Die Kinder kamen in die Hütte, und der Junge schrie Rooke an, weil er zu glauben schien, der fremde Mann würde seine Worte schon verstehen, wenn sie nur laut genug ausgesprochen wurden.

»Schön, schön, mein kleiner Freund«, sagte Rooke, »aber könntest du mir vielleicht ein paar Wörter schön langsam eins nach dem anderen sagen? Kannst du mir sagen, was das hier ist?«

Er deutete auf sein Ohr, doch der Junge hielt sich die Hand vor seine makellosen Zähne und bog sich vor Lachen. Die Mädchen riefen einander etwas zu, einen Kuddelmuddel von Wörtern, aus dem Rooke keine einzige Silbe identifizieren konnte. Diese Kinder waren offensichtlich noch zu klein und zu verspielt, um einem Mann, mit dem man sich Silbe für Silbe unterhalten musste, von Nutzen zu sein.

Das Mädchen Tagaran war an den Tisch getreten, auf dem der aus seinem Behälter genommene Sextant lag. Als sie danach greifen wollte, streckte Rooke erschrocken die Hand aus, weil er befürchtete, das Gerät könnte beschädigt werden. Höflich wie eine Dame in einem Salon wich Tagaran zurück. Dann drehte sie sich zu ihm hin und sagte etwas, das wie eine Frage klang.

»Sextant«, sagte er. »Das ist ein Sextant.



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