Der Sohn der Woelfe by Iggulden Conn

Der Sohn der Woelfe by Iggulden Conn

Autor:Iggulden, Conn
Format: epub
veröffentlicht: 2020-05-25T00:00:00+00:00


Temudschin wurde wach, als warmes Wasser auf seine Kleidung und sein Gesicht klatschte. Keuchend kämpfte er sich auf die Beine und schrie vor Schmerz: Einer seiner Finger war gebrochen und sein rechtes Auge war so sehr mit Blut verklebt, dass er es nicht öffnen konnte. Er hoffte nur, sie hätten ihn nicht geblendet, aber andererseits kümmerte ihn das auch nicht mehr. Es war dunkel, er hatte keine Ahnung, wo er sich befand. Über seinem Kopf sah er Balken, die das ferne Sternenlicht abschirmten, und er zitterte. Er steckte in einem gefrorenen Loch, und das Holzgitter befand sich zu weit über ihm, um hinaufzuspringen. Er drückte mit der unverletzten Hand an die Wände und stellte fest, dass die Erde nass und rutschig war. Seine Füße standen im Wasser, und von oben hörte er tiefes Gelächter.

Zu seinem Schrecken folgte auf ein leises Grunzen ein weiterer Regenguss der stinkenden Flüssigkeit. Die Gefolgsleute urinierten in das Loch hinein und amüsierten sich dabei köstlich.

Temudschin bedeckte den Kopf mit den Händen und kämpfte gegen die hoffnungslose Verzweiflung an. Er wusste, er könnte sein Leben in diesem Dreckloch beenden, vielleicht mit Steinen, die sie hinunterwarfen, um seine Beine und Arme zu brechen. Die Welt kannte keine Gerechtigkeit, doch das war schon seit dem Tod seines Vaters nichts Neues mehr für ihn. Die Geister nahmen keinen Anteil am Leben der Menschen, nachdem diese einmal geboren worden waren. Ein Mann überstand entweder, was die Welt für ihn bereithielt, oder er wurde davon zermalmt.

Grunzend hoben die Männer einen schweren Stein auf das Gitterwerk aus Ästen. Nachdem sie gegangen waren, versuchte Temudschin eine Weile lang zu beten. Zu seiner Überraschung verlieh ihm das Kraft, und er schmiegte sich an die gefrorenen Schlammwände, bis es dämmerte, wobei er nun immer wieder kurz in den Schlaf absank. Es war ein kleiner Trost, dass er nichts im Magen hatte und wenigstens sein Darm leer war. Er fühlte sich, als habe er schon immer Hunger und Schmerzen gelitten. Einst hatte er ein Leben geführt, in dem er glücklich war und mit seinen Brüdern zum roten Berg reiten durfte. An diesem Gedanken hielt er sich in der Finsternis fest, aber die Erinnerung wollte nicht bleiben.

Vor Beginn der Dämmerung hörte er Schritte, die näher kamen, und eine dunkle Gestalt beugte sich über das Gitter und verdunkelte die Sterne. Temudschin zuckte zusammen, da er wieder erwartete, dass jemand seine Blase auf ihn leerte, doch stattdessen sprach die Gestalt mit ihm.

»Wer bist du?«, fragte eine tiefe Stimme.

Temudschin sah nicht nach oben, aber sein Stolz erwachte zu neuem Leben, und so antwortete er: »Ich bin der älteste noch lebende Sohn von Yesügai, der einst der Khan der Wölfe war.«

Einen Augenblick lang flammten Lichter am Rande seines Sichtfeldes auf, und er dachte, er würde ohnmächtig werden. Er erinnerte sich an alte Worte, die sein Vater gesprochen hatte, und er sprach sie verwegen aus.

»Ich bin das Land und die Knochen der Berge«, sagte er inbrünstig, »ich bin der Winter. Wenn ich tot bin, werde ich in der kältesten Nacht zu euch kommen und euch holen.



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