Der Sohn der Schatten by Juliet Marillier

Der Sohn der Schatten by Juliet Marillier

Autor:Juliet Marillier
Die sprache: de
Format: mobi
Tags: Fantasy
Herausgeber: Knaur
veröffentlicht: 2011-11-24T23:00:00+00:00


KAPITEL 10

Danach war mein Verhalten vorbildlich. Keine geheimen Vorstöße mehr vor die Mauer, und keine Wachtposten entdeckten mich in ungewöhnlichen Teilen der Festung. Ich half Aisling bei einer Inspektion der Brauerei, und ich beriet die Kräuterkundige des Haushalts beim Sammeln von Vorräten für den Winter. Ich sagte Niamh nicht genau, was geschehen würde oder wann, denn ich konnte mich nicht darauf verlassen, dass sie es verschwieg. Stattdessen sagte ich ihr nur, dass für alles gesorgt war, und damit gab sie sich zufrieden. An der Oberfläche war ich ruhig und kompetent. Darunter war ich angespannt wie eine Harfensaite.

Ich ging immer wieder durch, was Bran mir gesagt hatte und was er nicht gesagt hatte. Ich musste zugeben, dass ich mich die ganze Zeit nach seiner Hilfe gesehnt hatte. Ich versuchte, nicht an die Dinge zu denken, die ich ihm nur zu gerne gesagt hätte und nicht gewagt hatte auszusprechen. Unmögliche Dinge wie Bleib bei mir und Du wirst noch vor Beltaine einen Sohn haben. Dann drängte ich diese Gedanken so gut ich konnte aus dem Kopf und dankte schlicht den Alten aus tiefstem Herzen, dass sie ihn zu mir gebracht hatten, als ich schon alle Hoffnung verloren hatte – dass sie ihn irgendwie zu mir zurückgeschickt hatten, als ich glaubte, dass er mich und die meinen für immer hinter sich gelassen hatte. Was zu einer solchen Veränderung geführt hatte, war mir ein Rätsel. Ich war nicht dumm genug zu glauben, ihn eines Tages wieder in den Armen halten zu können und zu hören, wie er liebevolle Worte sprach. Das waren die Gedanken eines albernen, romantischen Mädchens, sagte ich mir. Aber ich sprach mit unserem Sohn und sagte ihm: Er ist dein Vater. Ein Mann, der immer bei allem, was er tut, der Beste ist. Ein Mann, dem du dein Leben anvertrauen kannst.

Am Abend, bevor sie fliehen sollte, sagte ich Niamh so viel, wie sie wissen musste. Dass sie leise aufstehen musste, wenn ich sie weckte, noch vor dem Morgengrauen, und warme, dunkle Kleidung anziehen sollte, die ich für sie vorbereitet hatte. Dass wir dann rasch und lautlos die Festung verlassen würden, auf Geheimwegen, die an den Rand der Marsch führten. Dass ein Mann dort warten würde, um sie hinüberzuführen und an einen Ort zu bringen, wo sie in Sicherheit wäre. Es würde lange dauern, bis sie mich wieder sah.

»Ein Mann?« Sie blinzelte, als sie dort in ihrem Nachthemd saß, und runzelte verwundert die Stirn. »Was für ein Mann?«

»Ein Freund von mir«, sagte ich. »Du darfst dich von seinem Aussehen nicht erschrecken lassen. Er ist der beste Beschützer, den du haben könntest.«

»Wie hast du … wie kannst du …« Ihre Worte verklangen, aber ich konnte die wahre Botschaft in ihren Gedanken lesen, denn sie war nicht im Stande zu verbergen, was in ihr vorging. Sie fragte sich, wie eine kleine graue Maus wie ich es geschafft hatte, einen Mann kennen zu lernen, der uns etwas nützen konnte.

»Das ist unwichtig«, sagte ich. »Du darfst aber auf keinen Fall vergessen, still zu sein und zu tun, was ich dir sage, ganz gleich, was auch geschehen mag.



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