Der Seuche entstiegen - Wie schwarz und wie tot war der schwarze Tod? by Karl Heinz Wesemann

Der Seuche entstiegen - Wie schwarz und wie tot war der schwarze Tod? by Karl Heinz Wesemann

Autor:Karl Heinz Wesemann [Wesemann, K. H.]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783958490147
Herausgeber: Zudendorp Verlag
veröffentlicht: 0101-01-01T00:00:00+00:00


XXXII

Der weiße Baumwollstoff an ihren Händen bildete einen guten Kontrast zu der leicht gelblichen Farbe der Pergamentseiten, über die Ellies Blick glitt.

Sie saß am Schreibtisch in ihrem Zimmer und war konzentriert, wie eh und je.

Das Licht der vormittäglichen Sonne, dass durch das Fenster auf ihren Tisch fiel, war durch das trübe Winterwetter diffus und nicht sonderlich hell, aber es reichte ihr zum Lesen.

Als hätte es nie Träume gegeben, die sie fast in den Wahnsinn getrieben hätten, als wäre die Welt um sie herum nie ins Wanken gekommen, trotzte sie ihrer rationalen Seite und stürzte sich voller Elan in die Geschichte des Leonhardt von Hergendorf, die Amadeus erzählte.

„Johanna hatte Recht, und das wurde uns in diesem Augenblick schmerzlich klar.

Wir konnte das Leben, was wir bis zu diesem Tag im Ernting geführt hatten, unmöglich so weiterleben.

Jeden von uns konnte das gleiche Schicksal ereilen, wie das, des Knechtes aus Eschmar.

Leonhardt war, wie so oft, der erste, der sich zu Wort meldete und eine Meinung kundtat.

‚Sie hat Recht. Wir können es uns nicht leisten, uns an alten Riten festzuhalten, wenn wir überleben wollen.

Wir müssen gewiss sein können, dass unserer Toten auch das bleiben, was sie sind. Tot.

Wir werden Hansz untersuchen.‘, beschloss er.

Das Untersuchen von Verstorbenen war etwas Neues für uns. Wenn jemand Menschen untersuchte, dann war es ein Medicus.

Was sollte uns dieser Vorgang auch sagen?

Dumm wie wir seinerzeit waren, verstanden wir nicht, was Leonhardt dachte und wie er uns schützen wollte.

‚Untersuchen?‘, schallt ich ihn.

‚Leonhardt du weißt sehr wohl, dass es nicht deine Obliegenheit ist, das zu tun. Dies sollte ein Medicus vornehmen, der die Künste studiert hat. Und nicht ein Bogenschütze.‘

An Freiin Katterein gewendet fügte ich hinzu: ‚Ich darf doch annehmen, dass euer Wohlgeboren gleiches denkt, wie ich?‘

Scheinbar riss meine Anrede sie aus ihrer Versteinerung, denn sie saß seit der Ansprache Johannas eher still.

Nun aber hob sie den Kopf und eine nachdenkliche Miene senkte sich auf ihr Gesicht.

‚Ich denke, er sollte sich uns zunächst erklären. Was er gedenkt zu tun und was er gedenkt herauszufinden.‘

Sie dreht den Kopf in Richtung des Kriegers und fügte hinzu: ‚Nun, Leonhardt? Was hast du zu sagen?‘

Ich werde nie den trotzigen Blick des Mannes aus Hergendorf vergessen, wie er die Freiin anschaute.

Ein entnervter Vater, der seinem Kind zum hundertsten Male etwas erklären soll, sähe kaum anders aus, als dieser Mann damals.

Ich denke, dass es ihm nicht gefiel erklären zu müssen, was er denkt.

Dass er das erklären sollte, was er meinte verstanden zu haben.

Vielleicht wollte er sich nicht lächerlich machen, wenn sich herausstellen würde, dass er falsch lag.

All das mag sicherlich eine Rolle gespielt haben in seiner Überlegung, aber wichtig für uns, nein wichtig für alle, war, dass er seine Gedanken zu Ende dachte und sie umsetzte.

Er erklärte sie uns gegen seinen Willen, aber er tat es.

‚Es ist recht einfach, Freiin Katterein. Ich will wissen, woran Hansz starb.

Starb er an der Seuche und entstieg er ihr wieder, so ist er wie all die anderen, die wir herumwandern sahen.

Starb er an etwas anderem und erhob sich dennoch, so sind wir alle in noch größerer Gefahr, als wir dachten.



Download



Haftungsausschluss:
Diese Site speichert keine Dateien auf ihrem Server. Wir indizieren und verlinken nur                                                  Inhalte von anderen Websites zur Verfügung gestellt. Wenden Sie sich an die Inhaltsanbieter, um etwaige urheberrechtlich geschützte Inhalte zu entfernen, und senden Sie uns eine E-Mail. Wir werden die entsprechenden Links oder Inhalte umgehend entfernen.