Der Patient by John Katzenbach

Der Patient by John Katzenbach

Autor:John Katzenbach
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Knaur eBook
veröffentlicht: 2006-11-15T00:00:00+00:00


Als er am frühen Nachmittag die Augen öffnete, hatte er das Gefühl, als hätte die Sonne gründlich reinegemacht. Für Sekunden war er desorientiert, doch je wacher er wurde, desto schärfer sah er seine Umgebung. Es war eine vertraute, innig geliebte Welt, doch ihr Anblick tat weh, fast als ob dieser tröstliche Lebensbereich jetzt außer seiner Reichweite lag. Es bereitete ihm keine Freude, auf diese Welt zu blicken. Wie das Bild von seiner Fau, das er immer noch in Händen hielt, war es unerreichbar fern.

Ricky ging ins Badezimmer und spritzte sich am Becken kaltes Wasser ins Gesicht. Der Mann im Spiegel wirkte gealtert. Die Hände auf den Porzellanrand gelegt, starrte er sich an und dachte an die vielen Dinge, die zu erledigen waren, und das in kürzester Zeit.

Er machte sich rasch an die üblichen Besorgungen. Ein Gang in die Scheune, um die Autoplane von dem alten Honda zu ziehen und den Stecker des Aufladegeräts einzustöpseln, das er jeden Sommer genau für diesen Moment dort aufbewahrte. Während die Autobatterie aufgeladen wurde, zog er im Haus die Tücher von den Möbeln und fegte einmal kurz über die Böden. In der Besenkammer befand sich auch ein alter Wedel, mit dessen Hilfe er im ganzen Haus die Staubmilben aufwirbelte, so dass sie in den einfallenden Sonnenstreifen tanzten. Wie immer auf dem Cape ließ er die Haustür offen, wenn er ging. Falls ihm, womit er rechnen musste, jemand gefolgt war, dann wollte er Virgil oder Merlin oder einen anderen von Rumpelstilzchens Helfern nicht dazu zwingen, einzubrechen. So hoffte er, die Gewaltanwendung zu minimieren. Er wusste nicht, ob er es ertragen würde, wenn ihm noch etwas im Leben in die Brüche ging. Sein Zuhause in New York, seine Karriere, sein Ruf, alles, worauf sich sein Selbstverständnis gründete und was er sich im Leben erarbeitet hatte, das hatten sie systematisch ruiniert. Er merkte, wie ihn ein Gefühl äußerster Verletzlichkeit überkam, als könnte ein einziger Riss in einer Fensterscheibe, ein einziger Kratzer im Holz, eine zerbrochene Teetasse oder ein verbogener Löffel das Fass zum Überlaufen bringen.

Als der Honda sich mühelos starten ließ, stieß er einen langen Seufzer der Erleichterung aus. Er trat mehrmals auf die Bremse, und sie schien ebenfalls zu funktionieren. Er fuhr vorsichtig aus dem Schuppen und wurde dabei den Gedanken nicht los, dass man sich so wie er jetzt fühlen musste, wenn man an der Schwelle des Todes stand.



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