Der Palazzo am See. Roman by Sophia Cronberg

Der Palazzo am See. Roman by Sophia Cronberg

Autor:Sophia Cronberg [Cronberg, Sophia]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783104033129
Herausgeber: FISCHER E-Books
veröffentlicht: 2015-03-16T16:00:00+00:00


Gaetano schien ein Mann zu sein, der so steif und selbstbeherrscht durchs Leben ging, dass er auf ihr Lachen angewiesen war, um überhaupt ein wenig Leichtigkeit und Fröhlichkeit in seine Tage zu bringen. Mit diesem Urteil lag Tizia nicht ganz falsch – aber es war nicht das, was letztlich zu seinem Antrag führte.

Nein, in dem Augenblick als sich im hektischen Tanz ihre Frisur löste, als sie spürte, wie ihr Strähne um Strähne auf die Schultern fiel und die Pfauenfeder langsam Richtung Boden segelte, erkannte sie jäh, was er von einer Ehefrau erwartete. Nicht, dass sie sich schutzsuchend an ihn schmiegte, wie sie es während der Jagd getan hatte; nicht, dass sie sich schwach und trostbedürftig gab – sondern dass sie genauso wie er selbst über jede Lebenslage die Kontrolle behielt.

Als sich ihre Frisur löste, war Tizia kurz zutiefst erschrocken. Sie hörte das hämische Lachen der Umstehenden, spürte die tadelnden Blicke der Matronen. Der Tanz war in ihren Augen zügellos gewesen, kein Wunder, dass Gott sie für diese Sünde bestrafte, sie vor der ganzen Gesellschaft bloßstellte …

Röte stieg ihr in die Wangen, gefolgt vom Drang zu fliehen und der Hoffnung, dass Gaetano sich schützend vor sie stellen möge, sie vielleicht wegführte. Doch dann las sie in seinem Blick diese leise Irritation und wusste: Er wird dich niemals retten. Du musst es selbst tun.

Sie legte den Kopf in den Nacken, lachte laut und schallend, ergriff die Pfauenfeder und kitzelte damit sein Kinn.

»Gottlob, welche Erleichterung!«, rief sie. »Ich befürchtete, es würde nicht funktionieren. In einer Filmszene, die ich kürzlich drehte, löste sich im entscheidenden Moment die Frisur der Heldin. Ich dachte, es wäre reizvoll, wenn mir das auch im wirklichen Leben einmal gelänge …«

Wieder las sie kurz Irritation in seinen Augen und dachte, dass das die dümmste Ausrede war, die ihr hätte einfallen können. Wenn er sie jetzt fragte, auf welchen Film sie anspielte, wäre sie endgültig blamiert, ungeachtet, dass ihr selbstbewusstes Lachen zumindest den Spott der Umstehenden gedrosselt hatte.

Doch dann zog er sie an sich, sie tanzten weiter Foxtrott und er starrte sie zwar noch verwirrt, aber zugleich hingerissen an.

»Sie sind eine außergewöhnliche Frau …«, murmelte er.

Nein, dachte sie, ich bin keine außergewöhnliche Frau, die suchst du nicht. Ich bin genauso berechnend wie du, und das ist es, was du spürst, das ist es, was einen, der für die Zahlen und Bilanzen lebt, anzieht, umso mehr – weil ich es besser tarnen kann als du.

Sie lächelte ihn an. »Wie schade, dass ich bald auf Ihre Gesellschaft verzichten muss.«

»Aber …«

»Die Dreharbeiten im Hotel d’Este dauern nur mehr ein paar Tage, dann geht es zurück nach Mailand. Den nächsten Film werde ich in Rom drehen. Sie waren sicher schon dort, aber für mich ist es mein erster Besuch. Vielleicht können sie mir von der Ewigen Stadt erzählen …«

Es folgte ein langes Schweigen. Obwohl er ein formvollendeter Tänzer war, trat er ihr mehrmals auf die Zehen. Unwillkürlich schweifte ihr Blick suchend zu Bérénice, doch das Mädchen, dessen Anblick im Laufe des Abends so tröstlich gewesen



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