Der Nil, ein Schiff und etwas Liebe by Imke Schenk

Der Nil, ein Schiff und etwas Liebe by Imke Schenk

Autor:Imke Schenk [Schenk, Imke]
Die sprache: eng
Format: epub
Herausgeber: Edel eBooks
veröffentlicht: 2015-05-18T16:00:00+00:00


Als Karl sich für die Kutsche mit dem abgemagerten Pferd entschied, ahnte er nicht, dass diese Wahl ihn mehrere Stunden von Manuela fernhalten würde. Der Kutscher zeigte mit dem Kopf auf Karls roten Rucksack. „Bayern-Fan? Heute ist ein wichtiges Pokalspiel, ja?“

„Viertelfinale, gegen Frankfurt.“ Karl seufzte. „Kann ich leider nicht sehen. Auf dem Fernseher in unserer Kabine empfange ich nur RTL.“

„Nur RTL?“ Der junge Mann runzelte die Stirn. „Komisch. Aber kein Problem, Sie kommen mit mir. Ich gucke mit meinem Bruder in einem Café. Großer Fernseher. Guter Empfang! Ich heiße übrigens Yasir.“

Karl zögerte. Eigentlich wollte er ja zu Manuela. Das Spiel zu sehen, war allerdings verlockend. Wenigstens eine Halbzeit. Vielleicht schlief sie ohnehin noch. Dann würde er sie nur stören. Er war hin und her gerissen. „Ich bin Karl, aus München.“ Er reichte dem Kutscher die Hand. „Wo haben Sie denn so gut Deutsch gelernt?“

„Auch in München!“ Yasir lachte. „Da war ich ein halbes Jahr. Ein Stipendium.“ Sein Gesicht verdunkelte sich, als er weiterredete. „Ich habe Ägyptologie und Deutsch studiert und wollte Reiseleiter werden. Kreuzfahrtschiffe begleiten. Aber dann ist mein Vater gestorben. Ich musste sofort Geld verdienen. Für die Familie. Also habe ich mein Studium abgebrochen und seine Kutsche übernommen.“

„Das tut mir leid.“ Wenn Karl so etwas hörte, nahm er sich jedes Mal vor, sein Leben intensiver zu genießen und alle Möglichkeiten auszuschöpfen, die sich ihm dafür boten. „Ich nehme Ihr Angebot gerne an, Yasir. Würde mich sehr freuen, das Spiel mit Ihnen und Ihrem Bruder anzusehen.“ Wann bekam man als Tourist sonst schon die Gelegenheit, Land und Leute kennenzulernen? Da hatte er Manuela wenigstens etwas zu erzählen. Spannender als ein Tempel nach dem anderen war das allemal. Fand er jedenfalls.

„Prima!“ Yasir strahlte und sah auf seine Uhr. „Ist noch eine Stunde Zeit, und ich muss erst nach Hause. Ich freue mich, wenn Sie mein Gast sind und einen Tee mit meiner Familie trinken.“

Es klang für Karl eher nach einer Feststellung als nach einer Frage, und so war es auch. Sie verließen die Uferstraße, und Yasir übergab seine Kutsche an einen Kollegen. Nach einem kurzen Spaziergang durch die staubigen Straßen zeigte Yasir auf ein schmales, zweistöckiges Lehmhaus. „Da wohnen wir. Sehr einfach, aber sauber.“

Die nächste Stunde verging für Karl wie im Flug. Yasirs Mutter Amira und seine vier Geschwister, deren Namen Karl sich nicht alle merken konnte, begrüßten ihn herzlich. Sie setzten sich im Wohnzimmer auf Sitzkissen um einen niedrigen Holztisch, und Karl sah sich in dem karg eingerichteten Raum um. Der Fußboden war mit handgewebten Teppichen ausgelegt, es gab einen einzigen Schrank, und in einer Ecke stand untätig ein Ventilator. Yasir war Karls Blick gefolgt. „Den benutzen wir höchstens im Sommer. Die Lehmziegel halten das Haus schön kühl.“ Karl nickte. Die angenehm frische Temperatur war ihm schon beim Betreten des Hauses aufgefallen.

Amira trug ein Messingtablett voller Gläser herein, die mit einem dunklen Getränk gefüllt waren. Karls Magen zog sich zusammen, als er den ersten Schluck probierte. Der schwarze Tee schmeckte nach purem Zucker und war gleichzeitig so stark, dass Karl befürchtete, eine schlaflose Nacht vor sich zu haben.



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